Der Ministerrat hat am 14. Juli 2017, überschattet von der Debatte rund um die mögliche Neuanschaffung von Abfangjägern durch das Österreichische Bundesheer, ein Abkommen mit der Schweizer Eidgenossenschaft zur „Nacheile“ beschlossen.  Die relevanten Dokumente sind:

Es tritt erst nach der Ratifikation durch das Schweizer bzw. das österreichische Parlament und den Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Es wird davon ausgegangen, dass der Vertrag im Jahr 2018 rechtswirksam wird.

Über die üblichen Rahmenbedingungen solcher Abkommen hat milnews.at schon Ende Mai umfangreich informiert. Der neue Vertrag ersetzt das 2008 geschlossene Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und dem Schweizerischen Bundesrat bezüglich der Zusammenarbeit im Bereich der Sicherung des Luftraums gegen nichtmilitärische Bedrohungen aus der Luft.

Die finanziellen Auswirkungen werden als gering eingeschätzt: So werden künftig alle Einsatz- bzw. Übungsflüge auch weiterhin „im Rahmen der jeweils für die in Frage kommenden Luftfahrzeuge festgelegten Flugstundenkontingente“ stattfinden. Es werden keine zusätzlichen personellen oder materiellen Kapazitäten aufgebaut. Allfällige Mehraufwendungen seien durch das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport aus dem regulären Budget zu bedecken.

Welchen Handlungsspielraum hat die Schweizer Luftwaffe künftig im österreichischen Luftraum?

Die möglichen Maßnahmen ähneln dem Abkommen mit Frankreich, mit dem Unterschied, dass weder Österreich noch der Schweiz die Durchführung eines Landezwangs erlaubt ist:

2. Die Parteien sehen die folgenden Maßnahmen zur Identifikation verdächtiger Luftfahrzeuge im Sinne von Artikel 2 lit. d durch ihre Luftfahrzeuge vor, die im Rahmen der Zusammenarbeit ergriffen werden können:

a) Überwachung und Verfolgung, auch ohne für den Überwachten sichtbar zu werden;

b) visuelle Identifizierung;

c) Begleitung;

d) Erstellen eines visuellen Nachweises;

e) Befragung.

3. Die Parteien sehen die folgenden Maßnahmen zur Intervention gegen verdächtige Luftfahrzeuge im Sinne von Artikel 2 lit. d durch ihre Luftfahrzeuge vor, die im Rahmen der Zusammenarbeit ergriffen werden können:

a) Aufforderung per Funk oder Zeichen zur Änderung der Flugroute;

b) Aufforderung per Funk oder Zeichen zur Landung auf einem bezeichneten Flugplatz;

c) Erkennbarmachung der Anwesenheit der Luftfahrzeuge, die im Rahmen der Zusammenarbeit eingesetzt sind, durch Einsatz von Infrarotlockzielen, um der Aufforderung nach lit. a und b Nachdruck zu verleihen.

5. Der entsendenden Partei ist der Einsatz von Waffen im Staatsgebiet der empfangenden Partei nicht gestattet.

Derzeit verfügt das Bundesheer über keine Infrarotlockziele (Flares) für den Eurofighter. Die Notwendigkeit eines Selbstschutzsystems wurde im Bericht der Sonderkommission „Aktive Luftraumüberwachung“, der am 7. Juli 2017 vorgestellt wurde, nur im übertragenen Sinn als Signal gegenüber verdächtigen Luftfahrzeugen erwähnt:

(vii) Szenario 7: Nicht kooperative Kampfflugzeuge, welche die österreichische Souveränität oder Neutralität verletzen und auf den Einsatz österreichischer Abfangjäger gegebenenfalls mit Ausweichmanövern reagieren.

(viii) Szenario 8: Nicht kooperative Kampfflugzeuge, welche die österreichische Souveränität oder Neutralität verletzen, um zum Beispiel von Luftraumverletzungen durch andere Flugzeuge abzulenken und auf den Einsatz österreichischer Abfangjäger mit bedrohlichen Luftkampfmanövern reagieren.

Insbesondere die Szenarios 7 und 8 verlangen dabei die Ausrüstung des Abfangjägers mit effektiver Bewaffnung und einem auf dem Stand der Technik befindlichen Selbstschutzsystem.

Dieses Selbstschutzsystem muss im Sinne der Überlebensfähigkeit der österreichischen Militärpilotinnen und Militärpiloten gewährleisten, dass eine gegnerische Waffenauslösung erkannt und durch elektronische Störmaßnahmen und Täuschkörper gegnerische Flugkörper abgewehrt werden.

Vor der Durchführung eines grenzüberschreitenden Einsatzes von Kampfflugzeugen ist lediglich eine Mitteilung an die „Einsatzbehörde der empfangenden Partei“ erforderlich, das wäre in der Schweiz die Schweizer Luftwaffe und in Österreich das Österreichische Bundesheer. Das Bundesheer würde beim Einflug von Schweizer Kampfflugzeugen in den österreichischen Luftraum auch die Einsatzleitung übernehmen. Außerdem ist es möglich, dass z.B. Österreich anlassbezogen eine zeitliche und örtliche Einschränkung des grenzüberschreitenden Einsatzes bzw. seine Beendigung verlangt, worauf die Schweiz dieser Bitte nachzukommen hat.