In ihrem am 4. Mai 2016 vorgestellten Parlamentsbericht 2015 übt die Volksanwaltschaft deutliche Kritik an der„ressourcenbedingten Mittelfristplanung bis 2018“, offiziell bekannnt als Strukturpaket ÖBH 2018. Dabei werden drei Punkte herausgegriffen:

  • Symbolische Akte gegen die Landesverteidigung
  • Lückenhafte Luftraumüberwachung
  • Weitere Mängel bei verschiedenen Truppenteilen

Symbolische Akte gegen die Landesverteidigung

Als „symbolische Akte gegen die Landesverteidigung“ bezeichnet das Prüfgremium Maßnahmen, die die sogenannte Geistige Landesverteidigung untergraben. Die Geistige Landesverteidigung wurde Mitte der 1980er-Jahre im Landesverteidigungsplan konzipiert und umfasste in der damaligen Form [Bundeskanzleramt (Hrsg.): Landesverteidigungsplan (Wien 1985), p. 92 – 93]:

  • die Bewusstmachung allgemeingültiger Grundwerte, die für die demokratische Republik Österreich und die in diesem Staate lebenden Menschen von existenzieller Bedeutung sind;
  • die Bewusstmachung, dass diese Grundwerte nur in einem sehr leidvollen und opferreichen historisch-politischen Prozess geschaffen werden konnten und, dass ihr Bestand an die Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit und damit der Erhaltung der immerwährenden Neutralität und der verfassungsmäßigen Einrichtungen gebunden ist;
  • die Weckung der Bereitschaft bei den Staatsbürgern, zur Sicherung ihrer staatlich-gesellschaftlichen Lebensgrundlagen beizutragen und möglichen Bedrohungen entgegenzuwirken – darunter fällt auch Opferbereitschaft, selbst im Zustand des „relativen Friedens“ zur Friedenssicherung;
  • die Vermittlung des Instrumentariums der Umfassenden Landesverteidigung und seiner Chancen an die Staatsbürger.

Dass diese vor mehr als 30 Jahren in einem Strategiedokument formulierten Wertvorgaben heute noch Gültigkeit haben, liegt vor allem an der Verankerung des Konzepts der umfassenden Landesverteidigung in Art. 9a (1) und (2) B-VG durch einen Entschließungsantrag und das darauf folgende Bundesverfassungsgesetz vom 19. Juni 1975, mit dem das Bundesverfassungsgesetz in der Fassung von 1929 durch die Einfügung von Bestimmungen über die umfassende Landesverteidigung geändert wird:

Artikel 9a. (1) Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. Hiebei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen.

(2) Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung.

 

Der Entschließungsantrag beschrieb die geistige Landesverteidigung folgendermaßen:

Im Rahmen der geistigen Landesverteidigung soll das Verständnis der Bevölkerung für alle Bereiche der umfassenden Landesverteidigung ständig geweckt und verstärkt und gleichzeitig nach außen klargestellt werden, daß das österreichische Volk bereit und in der Lage ist, auch unter Opfern und unter Aufbietung aller Kräfte seine demokratischen Freiheiten, die Verfassungs- und Rechtsordnung, die Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit der Republik, die Einheit des Staatsgebietes sowie die Handlungsfreiheit unseres Landes zu schützen und zu verteidigen. Die Voraussetzung dazu ist bereits in der Schule dadurch zu schaffen, daß die Ziele der umfassenden Landesverteidigung im Unterricht vermittelt werden.

Im Landesverteidigungsplan erweiterte man den Wirkungsbereich der geistigen Landesverteidigung über die Bildungspolitik hinaus auch zur Kulturpolitik [BUNDESKANZLERAMT: Landesverteidigungsplan, p. 95 – 96]:

Geistige Landesverteidigung hat – über die Bildungseinrichtungen hinausgehend – die breite Öffentlichkeit anzusprechen und wird sich dazu vor allem jener Möglichkeiten bedienen, die zum Zwecke der Masseninformation heute zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich einerseits um Aktionen, die über die sogenannten Massenmedien laufen, andererseits um Veranstaltungen zur Information von Meinungsleitpersonen (außerhalb des Bildungsbereiches), also für Funktionäre politischer Parteien und Interessensvertretungen, für Journalisten, usw.

Die Volksanwaltschaft warnt vor „negativen Konsequenzen für die Geistige Landesverteidigung“, sollten „bewährte, oft über Jahrzehnte etablierte militärische Institutionen mit hohem Ansehen auch außerhalb des Militärwesens“, die als „,Visitenkarte‘ des Militärs im zivilgesellschaftlichen Bereich“ und dadurch als „positive Motivationsfaktoren“ dienen, „beschädigt oder gar ganz beseitigt“ werden.

 

Insbesondere folgende Bedenken wurden dabei ins Treffen geführt:

Bestimmte Musikstücke würden angesichts verkleinerter Ensembles nicht mehr oder zumindest nicht mehr in der vom Komponisten intendierten Weise gespielt werden können. Besonders Darbietungen für militärische Festakte wie z.B. Zapfenstreiche, Hymnen und Märsche wären jedenfalls im Freien nicht mehr kompositionsentsprechend möglich. Die Kürzungen bedingen auch eine Einschränkung der Militärmusikkapellen als Ausbildungsstätte für den musikalischen Nachwuchs. Dies bedeutet eine Schwächung des Beitrages der Militärmusiken zur in Österreich traditionellen Musikkultur.

Diesen Bedenken der Volksanwaltschaft stehen Erkenntnisse des Rechnungshofes gegenüber, der in seinem Bericht Personalmaßnahmen des BMLVS im Rahmen von Reorganisationen; Follow–up–Überprüfung die Nutzung eines Einsparungspotentials von rd. 2,5 – 3 Mio. EUR bei einer Reduktion von neun auf vier Militärmusikkapellen eingemahnt hat.

Weitere Punkte betreffen die Auflassung des Militärgymnasiums Wiener Neustadt, wobei die Volksanwaltschaft zugute hielt, dass immerhin „der Schulbetrieb bis zur Matura des letzten Jahrganges gesichert“ zu sein scheine, die rechtswidrige Verzögerung von mehr als einem Jahr bei der Bestellung des Milizbeauftragten, die vom BMLVS gegenüber der Volksanwaltschaft nie begründet worden ist, und die Diskussion um öffentliche Angelobungen. Wegen „eingeschränkter finanzieller Ressourcen für Busanmietungen“ war seitens des SKFüKdo angedacht, Angelobungen auch in Garnisonsbereichen durchzuführen. Diese Maßnahme wurde aber wieder verworfen.

Lückenhafte Luftraumüberwachung

Besonders viel Raum nimmt das amtswegige Prüfverfahren der Volksanwaltschaft zu den Einsparungen bei der Luftraumüberwachung ein. Dieser Bereich ist, wie aus mehreren Berichten des Rechnungshofes hervorgeht, schon seit dem Jahr 2005 von drastischen Sparmaßnahmen betroffen, die die Erfüllung des verfassungsmäßigen Auftrages unmöglich machen.

Am 11. Oktober 2002 legte der Rechnungshof seinen ersten Bericht zur Vorbereitung der Nachbeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen vor. Damals ging das Bundesministerium für Landesverteidigung von folgenden Grundannahmen aus:

Im September 1993 erließ das BMLV das Konzept für den Einsatz des österreichischen Bundesheeres, welches sich aus der Verteidigungsdoktrin 1975 ableitete und Grundlage für den Einsatz der Land– und Luftstreitkräfte darstellte. Darauf aufbauend wurden 1997 das Konzept für den Einsatz der Luftstreitkräfte und das operativ taktische Konzept für die Nachfolge der Draken erstellt.

Im operativ–taktischen Konzept wurde die Anzahl der erforderlichen Kampfflugzeuge für die Luftraumsicherung mit 30 Stück und für die Luftverteidigung mit 75 Stück festgelegt. Im Zuge der Gebarungsprüfung leitete das BMLV den Bedarf für eine umfassende Luftraumüberwachung im Frieden mit 24 Stück ab. Ausgangspunkt der Überlegungen waren zwei Standorte für die Luftraumüberwachung, für welche sechs Kampfflugzeuge benötigt werden. Für die Aus– und Weiterbildung der Piloten wurden zehn weitere Kampfflugzeuge als notwendig angesehen. Die restlichen acht Kampfflugzeuge (für Wartung/Instandsetzung) ergaben sich aus der Zielsetzung, insgesamt einen angestrebten technischen Klarstand (Einsatzbereitschaft) von rd 70 % der 24 Kampfflugzeuge zu erreichen.

Als das Bundesministerium für Finanzen nach zweimonatigen Beratungen einer Angebotseinholung zum Kauf neuer Abfangjäger zustimmte, geschah das u.a. nur unter der Bedingung, dass im Zuschlagsverfahren „das in der Angebotseinholung festgeschriebene Mengengerüst 24 Einsitzer neu und sechs Doppelsitzer optional auf eine geringere Anzahl von Luftraumüberwachungsflugzeugen (zB 18 Einsitzer neu und eventuell sechs Doppelsitzer neu optional) geändert bzw reduziert wird“.

Im BMLV gab es zur benötigten Stückzahl unterschiedliche Positionen und argumentative Zugänge, wie aus den Protokollen zum Untersuchungsausschuss Beschaffung von Kampfflugzeugen hervorgeht. Der frühere Erste politische Sekretär im Kabinett von Bundesminister Scheibner, argumentierte am 31. Dezember 2006 mit der Notwendigkeit einer Nachfolge des zum damaligen Zeitpunkt bereits über 30 Jahre alten Jettrainers Saab-105OE:

Günther Barnet: […] Damit bin ich bei noch einem Punkt, auf den ich hinweisen möchte, nämlich dass die gesamte Konzeption – ich glaube, es war der Vorschlag des Sektionsleiters General Corrieri, der damals auch gleich gesagt hat, es wäre sinnvoll, die gesamte Flotte der Düsenflugzeuge, also beide Typen, Draken und SAAB 105 OE, durch einen neuen Typ zu ersetzen. Daher ist es zu dieser berühmten Stückzahl von 30 Flugzeugen statt 53 gekommen, weil auch diese Aufgabe damit hätte wahrgenommen werden sollen.

Es hat dann vor dem Sommer 2001, also im Spätfrühjahr/Frühsommer, die Befassung mit dem Finanzministerium gegeben – das ist jetzt hier vielleicht nicht ganz chronologisch –, die sich mit der Frage auseinandergesetzt hat: Herstellung des Einvernehmens in bundeshaushaltsrechtlicher Hinsicht im Hinblick auf die Einholung von Angeboten. Das hat sich den ganzen Sommer über gezogen in einem dialogischen Prinzip zwischen den beiden Ministerien, und zwar so, dass am Schluss unter einigen Vorgaben, sprich der Inanspruchnahme der Richtlinienkompetenz des Bundesministeriums für Finanzen, diese Möglichkeit eben bestanden hat und dabei schon immer klar war, dass man gegebenenfalls die Stückzahl insofern variieren kann, als man bestimmte Aufgaben auch optional durch das so genannte zweisitzige Flugzeug wahrnehmen konnte. Daher wurden auch die Angebote dementsprechend gestaltet.

 

Günther Barnet: Herr Vorsitzender, gerne. – Ich habe nur in meinen einleitenden Ausführungen gesagt, dass die Idee des Generals Corrieri, glaube ich, und auch des Generaltruppeninspektors, die in allen möglichen Dokumenten auch schriftlich gefasst wurde, die, wie ich annehmen kann, dem Ausschuss vorliegen, erwogen wurde, beide Systeme, nämlich sowohl SAAB Draken 35 als auch SAAB 105 OE durch ein Flugzeug zu ersetzen, durch 30 Stück, und damit drei Aufgaben, nämlich die Einsatzaufgabe im Inland, Luftraumüberwachung, Luftraumsicherung – Luftverteidigung können wir vergessen; hat auch der Generaltruppeninspektor abgelehnt; die Ausbildungs- und Übungsaufgabe und der allfällige Einsatz von bis zu sechs Flugzeugen im internationalen Einsatz; so steht es, sofern ich es richtig im Kopf habe, im militärischen Pflichtenheft; das ist nicht geheim, sondern nur vertraulich – durch 30 Stück zu ersetzen, sofern man eine dieser Aufgaben durch ein anderes Flugzeug wahrnimmt oder weiterhin wahrnimmt.

Was zu verschiedensten Zeitpunkten immer wieder erwogen wurde und sich letztendlich auch so ergeben hat, war die Stückzahl, natürlich für einen anderen Bedarf berechenbar. Wenn Sie mich persönlich fragen: Ich hätte gerne 36 gekauft.

In derselben Sitzung vom 31. Dezember 2006 erläuterte Mag. Wolfgang Spinka, bis Anfang Dezember 2002 Leiter der Gruppe B: Feldzeug- und Luftzeugwesen (bestehend aus der Abteilung 4.5 Waffen, Gerät und Munition, der Abteilung 4.6 Kraftfahr-, Pioniergerät und Betriebsmittel, der Abteilung 4.7 Fernmelde- und elektronisches Gerät, der Abteilung 4.8 Luftzeugwesen und der Abteilung 4.9 Einkaufsabteilung bzw. Referat a) in der Sektion IV der Zentralstelle und danach stellvertretender Generalstabschef, die Erfordernis von 30 Flugzeugen auch mit der Möglichkeit, sich die riskante Entsendung von Bodentruppen zu Auslandseinsätzen zu ersparen:

Mag. Wolfgang Spinka: Unsere Sicht der Dinge zum Zeitpunkt der
Angebotseinholung war das Erfordernis von 24 Abfangjägern, um die Palette von Aufgaben, die auch im Einleitungsakt nachzulesen ist, erfüllen zu können.

Es hat tatsächlich im Bundesministerium für Landesverteidigung, was eine geringere Stückzahl betrifft – also zumindest auf unserer Arbeitsebene – überhaupt keine Diskussion gegeben, sondern wir haben die Kürzung auf 18 zur Kenntnis genommen, wie die Bundesregierung das im Herbst 2000, glaube ich, entschieden hat.

Tatsache ist aber: Natürlich überlegt man sich dann – ich muss sagen, das haben wir uns dann überlegt –: Was heißt das? Und es ist relativ einfach: Das war aus meiner Sicht die Beschränkung auf die Aufgaben im Inland, das heißt, die Luftraumüberwachung in der Nachfolge Draken natürlich auf einer anderen Ebene, aber unter Verzicht dessen, was ursprünglich angedacht war, nämlich, die auch in die Vorhaben der ESVP mit einzumelden.

Soweit ich mich erinnere, war das eine Überlegung von Bundesminister Scheibner, weil er beobachtet hat, dass sich andere Streitkräfte, die Luftfahrzeuge beziehungsweise Schiffe eingemeldet haben, dadurch doch die Entsendung einer großen Anzahl von Soldaten ersparen konnten.

Natürlich wird der Beitrag gemessen, und ein paar Flieger oder ein Schiff ist natürlich ein gewichtiger Beitrag und spart Truppen. Die Überlegung stand also zweifellos noch hinter den 24. Und wir haben zur Kenntnis genommen, dass wir 18 bekommen, und mit 18 lässt sich in Friedenszeiten der Luftraum über Österreich sichern.

Ich erinnere mich auch – aber da wird es jetzt schon wieder irgendwie g’schichtlartig – an ein Gespräch mit US-Fachleuten Anfang der neunziger Jahre, wo die Frage war: Wie viele Flieger braucht man für die Luftraumüberwachung in Friedenszeiten? Und das war ein Fachmann, der offensichtlich auf die Frage vorbereitet war, der, wie aus der Pistole geschossen, gesagt hat: 18! Das hat mich, als dann die Entscheidung für die 18 gefallen ist, beruhigt – ich selbst bin kein Flieger, kann das nicht wirklich beurteilen –, dass eben ein Fachmann schon irgendwann einmal gemeint hat, dass 18
ausreichend sind.

Auch in dem Konzept – aber da sind wir dann schon weit weg vom Beweisthema 1 – für die Nutzung des Eurofighters in der Einführungsphase kann man genau nachlesen, wie mit 18 Jagdflugzeugen der österreichische Luftraum in dem Szenario, in dem wir uns befinden, sicher überwacht werden kann.

Der ehemalige Kommandant der Luftstreitkräfte, Bgdr Josef Bernecker, erklärte am 9. Jänner 2007 im Untersuchungsausschuss den berechneten Bedarf folgendermaßen:

Wenn ich daher ein bestimmtes Flugprogramm aufgrund meines Leistungsprofils habe, dann muss ich schauen, dass ich immer so viele Flugzeuge habe, dass ich nicht Substanz abbaue. Wenn ich mit einem Flugzeug eine Stunde fliege, dann muss ich es 30 Stunden rein theoretisch vergessen – bitte, das ist jetzt ein hypothetischer Wert -, weil da wird „geschraubt“ daran. Das heißt, ich muss 29 Stunden ein anderes Flugzeug haben. Da ist die Frage: Was will ich machen? Will ich 24 Stunden am Tag fliegen, will ich nur bei Tag fliegen, mit wie vielen Einsätzen rechne ich, wie viele Flugzeuge muss ich gleichzeitig einsetzen, wie viele muss ich „hinstellen“ nördlich und südlich der Alpen und so weiter? Und da kommt man auf diese  Ziffern.

Die niedrigste Ziffer war in diesen ganzen Berechnungen 24 für den Luftraumüberwachungseinsatz, für den friedensmäßigen Luftraumüberwachungseinsatz, mit der Option, an einer multilateralen Operation kurzfristig teilzunehmen. Und die nächste Zahl, die ominösen 30, das war dann der Sicherungseinsatz, Sicherungseinsatz bei einem bestimmten Referenzfeind.

 

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Eine Anschlussfrage, die natürlich in sich eine Schlussfolgerung birgt: Das Abgehen von der Minimum-Zahl 24 auf 18 ist daher eine Verletzung der Einsatzkonzeption und des militärischen Erfordernisses schlechthin?

Josef Bernecker: Ja, es ist eine willkürliche Abweichung, und jetzt passt natürlich nichts mehr zusammen.

2007 wurde durch einen Vergleich der Republik Österreich mit der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH die Stückzahl neuerlich auf nur noch 15 Exemplare reduziert und der Betrieb massiv eingeschränkt. Auch hier übte der Rechnungshof heftige Kritik:

Luftraumüberwachungsflugzeuge: Vergleich der Republik Österreich mit der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH (Reihe Bund 2009/1)

Der RH stellte fest, dass das BMLV bereits bei der Reduzierung der Stückzahl von 24 auf 18 Flugzeuge eine durchgehende Einsatzbereitschaft für die Luftraumüberwachung nur mit 24 Flugzeugen und 36 Piloten für möglich erachtete. Mit 18 Flugzeugen sei die Luftraumsicherung nur in Ansätzen erfüllbar. Eine Luftverteidigung sei zeitlich und räumlich nur in geringstem Umfang möglich. Eine Mitwirkung an friedenserhaltenden internationalen Einsätzen außerhalb Österreichs sei nicht mehr vertretbar. Die Luftaufklärung könne nicht wahrgenommen werden (Reihe Bund 2005/3 S. 22 TZ 23).

 

Die Anzahl der Piloten für das Waffensystem Eurofighter war im Organisationsplan für das Überwachungsgeschwader in Zeltweg mit 24 Pilotenplanstellen festgelegt. Laut den Kaufverträgen sollte die Grundausbildung der Piloten bei der deutschen Luftwaffe erfolgen. Im Dezember 2006 schloss das BMLV mit dem deutschen Bundesministerium der Verteidigung einen Vertrag über Unterstützungsleistungen für die Ausbildung ab.

Das — auf die reduzierte Stückzahl von 15 Eurofightern bezogene — operativ–taktische Konzept vom November 2007 sah für das Waffensystem Eurofighter während der Einführungsphase 18 und danach 24 Piloten vor. Der Entwurf für ein Ausbildungskonzept vom Februar 2006 sah — bezogen auf 18 Flugzeuge — ebenfalls 24 Piloten vor.

 

Laut Stellungnahme des BMLV seien insgesamt 19 Piloten für den aktiven Einsatz der Eurofighter im Rahmen der Luftraumüberwachung vorgesehen.

 

Im Jänner 2008 teilte das BMLV dem RH aktualisierte Schätzungen bis zum Jahr 2016 mit. Demnach würden die jährlichen Betriebskosten bei 15 Flugzeugen und 1.500 jährlichen Flugstunden ab 2008 mehr als 50 Mill. EUR, ab 2011 mehr als 70 Mill. EUR und im Jahr 2013 rd. 100 Mill. EUR betragen.

Der RH stellte fest, dass auch die aktualisierten Schätzungen nur einen Teil der tatsächlichen Kosten enthielten. Wie bereits im Bericht des RH aus dem Jahr 2005 erwähnt, blieben die Personalkosten, Infrastruktur-Investitionen und Gemeinkosten unberücksichtigt. Weiters wies der RH darauf hin, dass im operativ–taktischen Konzept vom November 2007 ab dem Jahr 2015 eine Flugstundenproduktion von 1.800 Flugstunden pro Jahr vorgesehen war.

 

Einen neuen Einschnitt brachte das operative Verfahrenskonzept „Luftsouveränität“ vom November 2011, auf Basis von Vorgaben aus einer logistischen Analyse vom Oktober 2009. Der Rechnungshof erhob folgende neue Einschränkungen:

  • 1.500 Flugstunden/Jahr
  • Flottenverfügbarkeit (Klarstand-Planwert): 33 % täglich
  • 14 Piloten (+ 2 Piloten in Ausbildung)
  • Einsatzbereitschaft für Luftraumüberwachung
    • täglich 2 Eurofighter (+ 1 Eurofighter in Reserve)
    • alternativ Trainingsflugzeuge Saab-105OE
  • Luftraumsicherungsoperationen
    • 3 x 1 Woche/Jahr
    • 7 verfügbare Eurofighter
  • Ausbildungsflugbetrieb
    • 2 Trainings-Eurofighter + 3 Eurofighter für Luftraumüberwachung
    • 5 Trainings-Eurofighter (bei Luftraumüberwachung ausschließlich mit Trainingsflugzeugen Saab-105OE)

Nach Eintreffen der Budgetprognose des BMF am 9. Januar 2014 und dem am nächsten Tag ergangenen Auftrag an den Generalstab zur Neustrukturierung des Bundesheeres, wurden neue radikale Sparmaßnahmen bei der aktiven Luftraumüberwachung ausgearbeitet. Am 19. August 2014 stellte man das neue Konzept vor. Von einem„Dienstbetrieb von Montag bis Sonntag von 8.00 Uhr bis zum Einbruch der Abenddämmerung gegen 20.00 Uhr“ ging man zu „flexiblen Einsatzzeiten“ über.

Die Volksanwaltschaft stellte nun fest:

Das BMLVS vertrat die Auffassung, bei der Einsatzbereitschaft der Luftstreitkräfte bestehe ein Ermessensspielraum, welcher nach militärfachlichen Gesichtspunkten auszunützen sei. Bestimmte Situationen im Luftraum und daher auch mögliche Luftraumverletzungen seien von der Tageszeit abhängig. Es sei legitim, die aktive Luftraumüberwachung auf Zeiten zu beschränken, in denen eine relativ höhere Wahrscheinlichkeit von Luftraumverletzungen bestehe.

 

Diese Idee wurde auch im Militärstrategischen Konzept, das Ende August 2015 veröffentlicht worden ist, verankert:

Aufgrund von ressourcenbedingten Einschränkungen kann die aktive LRÜ nur zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang durchgeführt werden. Punktuell kann innerhalb dieses Zeitraumes auch in der Nachtzeit aktiv überwacht werden. Zusätzlich können zur Schwergewichtsbildung bis zu insgesamt 3 Wochen Luftraumsicherungsoperationen durchgeführt werden.

Zum Vergleich, die Vorgaben aus dem Militärstrategisches Konzept des Österreichischen Bundesheeres von 2006:

Die Luftraumüberwachung ist konsequent auf die Kernfähigkeit, nämlich auf Basis einer ständigen Luftraumüberwachung die Luftraumsicherung bei Großveranstaltungen und sich abzeichnenden Bedrohungen aus der Luft mehrmals [Bis Ende 2010 (Einführungsphase) bis zu 4 mal / 3 Wochen pro Jahr mit bis zu 4h Combat Air Patrol (CAP) pro Tag (24 Std) bei reduziertem Ausbildungsbetrieb = planerisches „worst case“ Szenario zur vorausschauenden Erfassung bzw. Berücksichtigung eines entsprechenden Ressourcenbedarfes. Die in der Planungsleitlinie 2005 zu ÖBH 2010 angeführten Zeiträume sind diesbezüglich anzupassen.] jährlich über einen Zeitraum von bis zu je 6 Wochen sicherzustellen. Dabei sollen bis zu zwei Schutzobjekte gleichzeitig durch bodengestützte Fliegerabwehr geschützt werden können.

 

In ihrer Missstandsfeststellung befasst sich die Volksanwaltschaft eingehend mit den völkerrechtlichen Grundlagen, in denen die Notwendigkeit einer ständigen aktiven Luftraumüberwachung begründet sind. Dabei weist sie auf das Risiko von Luftraumverletzungen durch Militärflugzeuge aus NATO-Mitgliedsstaaten hin, die in militärischen Operationen zum Einsatz kommen könnten:

Allerdings sind – abgesehen von der Schweiz und Liechtenstein – alle Nachbarstaaten auch Mitglieder der NATO. NATO-Mitgliedsstaaten waren in jüngerer Zeit bzw. sind nach wie vor in zum Teil massive bewaffnete Konflikte verwickelt.

Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen

An diesen Konflikten beteiligte NATO-Staaten verwende(te)n dabei v.a. ihre Luftstreitkräfte als Kampfmittel. In den meisten dieser Auseinandersetzungen erschien bzw. erscheint es zumindest zweifelhaft, ob eine Berufung auf Ausnahmen vom Gewaltverbot im Rahmen der UNO oder im Sinne der GASP der EU legitim war bzw. ist. Österreich hat diesem Umstand wiederholt Rechnung getragen, sich auf seine Neutralität berufen und den betroffenen Konfliktparteien Überflüge von Militärflugzeugen verboten. Beispiele dafür sind die Angriffe von NATO-(Luft-)Streitkräften auf Serbien 1999 und den Irak 2003. Die Luftangriffe erfolgten dabei auch zu Zeiten, in denen das BMLVS nunmehr vermeint, die aktive Luftraumüberwachung aussetzen zu können.

Aus diesen Rahmenbedingungen zieht das Prüforgan die Schlussfolgerung:

Aus den Erfahrungen der Vergangenheit geht somit hervor, dass ausländische Mächte durchaus nennenswerte militärische Interessen an der Nutzung des österreichischen Luftraumes haben. Angesichts aktueller militärischer Konflikte, in welche NATO-Staaten verwickelt sind, hat sich diese Interessenlage nicht wesentlich geändert. Damit ist Österreich verpflichtet, (auch) die aktive militärische Luftraumüberwachung rund um die Uhr aufrechtzuerhalten. Überflüge fremder Luftstreitkräfte sind jederzeit zu verhindern bzw. ist im Vorfeld glaubhaft die Bereitschaft zur Verhinderung zu bekunden.

Die aktive militärische Luftraumüberwachung grundsätzlich täglich für bestimmte Zeiten auszusetzen, bewirkt ein praktisch täglich wiederkehrendes Zeitfenster, in dem Neutralitätsverletzungen möglich sind. Dies stellt einen Bruch anerkannter völkerrechtlicher Verpflichtungen eines neutralen Staates dar und zugleich einen Verstoß gegen geltendes Verfassungsrecht (Neutralitätsgesetz).

Neben dem Neutralitätsgesetz würden durch die gesetzten Maßnahmen auch das Wehrgesetz und das Militärbefugnisgesetz gebrochen, die beide eine ständige Einsatzbereitschaft des Heeres und insbesondere eine ständige Wahrung der Lufthoheit vorsehen. Die Volksanwaltschaft bezieht sich dabei besonders auf § 26 Abs. 1 MBG.

Die Verpflichtung zur ständigen Einsatzbereitschaft des Bundesheeres gilt aber selbstverständlich nicht nur für die militärische Landesverteidigung, sondern auch für sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze. Terroranschläge, auch mithilfe von Luftfahrzeugen, sind möglich. Für sie darf durch temporäre Aussetzung der aktiven Luftraumüberwachung genausowenig ein „Zeitfenster“ geschaffen werden wie für Neutralitätsverletzungen durch Überflüge fremder Luftstreitkräfte.

Mängel bei weiteren Truppenteilen

Bei den Pionierbataillonen, Heeresspitälern und Aufklärungs- und Artilleriebataillonen sieht die Volksanwaltschaft weiteren Verbesserungsbedarf. Die Fahrzeuge der Pionierverbände seien von April bis Oktober 2014 vorübergehend nicht mehr gewartet worden. Damit war die Einsatzbereitschaft nicht mehr gegeben. Sie konnte im August 2015 vorübergehend für einen kurzen Zeitraum bei den PiB1 und 3 wieder hergestellt werden.

Das BMLVS räumte weiters ein, dass die Mobilität von schwerem Pioniergerät nicht durch eigene Transportkapazitäten sichergestellt sei. Dies gelte sogar für den Transport von Pioniersoldatinnen und -soldaten etwa zu Assistenzeinsätzen im Katastrophenfall.  Bei Bedarf sei daher Verstärkung durch zivile Fahrzeuge erforderlich.

Wegen fehlender Fahrzeuge würden Patienten auch mit zivilen Rettungsfahrzeugen in Militärspitäler eingeliefert. Das BMLVS widersprach diesem Vorwurf nicht. Dem Problem der fehlenden Journaldienste wurde entgegnet, dass die militärischen Sonderkrankenanstalten nicht als Akutspitäler ausgelegt seien und auch nicht als solche betrieben würden.

Im Zuge der Sparvorgaben häufen sich auch Mängel bei der Ausbildung und die wachsende Lücke bei zur Erfüllung des verfassungsmäßigen und wehrgesetzlichen Grundauftrages erforderlichem Gerät tritt immer mehr zu Tage:

Laut Stellungnahme des BMLVS wurden Rekruten beim Aufklärungsartilleriebataillon 3 in Mistelbach letztmalig im Jahr 2014 an Panzerhaubitzen ausgebildet. In Umsetzung des Strukturpaketes falle der Artillerieanteil in Mistelbach
weg. Generell werde die Reduktion der schweren Waffen weitergeführt. Die Ausbildung von Rekruten an diesen Waffensystemen stehe aufgrund der kurzen zur Verfügung stehenden Grundwehrdienstzeit nicht im Vordergrund.

Der völlige Verzicht der Ausbildung von Rekruten bei im Verteidigungsfall essenziellen Waffengattungen ist aus Sicht der VA nicht zu verantworten, da mit dem Verlust der Ausbildung auch der Verlust an Fachwissen und Einsatzfähigkeit einhergeht. Der derzeitige Zustand der militärischen Landesverteidigung lässt nicht auf eine militärische Langzeitplanung schließen, die einen solchen Mangel im Bedarfsfall wettmachen könnte.