Am 18. Dezember 2017 wurde durch das Bundesministerium für Justiz der Weisungsbericht der Jahre 2009 – 2014 veröffentlicht. Darin sind neue Details zu den Ermittlungen nach der Abberufung von Generalstabschef Edmund Entacher durch den damaligen Bundesminister Darabos enthalten. Diese Ermittlungen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption liefen gegen Bundesminister Darabos und den Leiter der Sektion I, Mag. Christian Kemperle. Das Verfahren gegen den Minister wurde am 28. Dezember 2012, das Verfahren gegen den Sektionschef im November 2013 offiziell eingestellt.

Gegen Sektionschef Kemperle bestand der Verdacht des Missbrauchs der Amtsgewalt (Vorsätzliche Schädigung der Rechte eines Individuums durch wissentlichen Missbrauch der Befugnis im Namen des Bundes Amtsgeschäfte vorzunehmen). Ihm zufolge sei die mündlich erteilte Weisung vom 24. Jänner 2011, die von der Berufungskommission in ihrer Entscheidung vom 3. November 2011 als rechtswidrig beurteilt worden ist, lediglich eine „Sofortmaßnahme für das folgende Versetzungs- bzw. Verwendungsänderungsverfahren“ gewesen, um den General über die beabsichtigte Maßnahme zu informieren. Die Verwendungsänderung seit erst durch Bescheid vom 24. August 2011 erfolgt.

Unmittelbar vor der Abberufung durch den Bundesminister hatte General Entacher am 22. Jänner dem Nachrichtenmagazin „profil“ ein Interview gegeben, in dem er sich gegen die Umstellung des österreichischen Wehrsystems von der Wehrpflicht auf ein Freiwilligenheer aussprach. Noch am selben Tag forderte die „Kronen Zeitung“ seinen Kopf. Außerdem sprach Norbert Darabos in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ eine offene Drohung gegen den Generalstabschef aus:

Abb. 1: Interview mit Bundesminister Darabos in der „Tiroler Tageszeitung“ vom 22. Januar 2011.

Gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“ konterte nun Darabos ungewöhnlich scharf gegen den Generalstabschef: „General Entacher hat sich erst am Freitag mir gegenüber in einer internen Besprechung vor allen Sektionsleitern klar zu den Modellen bekannt. Es gilt das Primat der Politik. Wer nicht bereit ist, mit mir gemeinsam das Bundesheer in eine neue Zukunft zu führen, der muss wissen, dass ich nicht vor personellen Konsequenzen zurückschrecken werde. Ich bin fest entschlossen, das Heer zu reformieren und die Wehrpflicht abzuschaffen. Wer nicht mitzieht, wird mit Konsequenzen zu rechnen haben. Ich lasse mir von niemandem, auch nicht vom Generalstabschef, Steine in den Weg legen.“

 

Abb. 2: Titelseite der „Kronen Zeitung“ vom 23. Januar 2011

Abb. 3: Artikel in der …

Abb. 4: … „Kronen Zeitung“ vom 23. Januar 2011.

Abb. 5: „Kronen Zeitung“ vom 24. Januar 2011.

Abb. 6: „Kronen Zeitung“ vom …

Abb. 7: … 25. Januar 2011.

Dem als Zeugen befragten Generalleutnant Mag. Commenda zufolge, habe es auch vor der Amtszeit von Bundesminister Darabos und Kabinettschef Kammerhofer sofortige Abberufungen im BMLVS ohne schriftlichen Bescheid gegeben. Wie der Entscheid der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt zeige, sei eine Abberufung durch Weisung „übliche Verwaltungspraxis“, außerdem sei General Entacher dadurch nicht in seinen Verfahrensrechten geschädigt worden. Den Aussagen von Mag. Entacher und Mag. Kemperle zufolge, habe Kemperle den Generalstabschef außerdem mündlich umfassend über § 38 BDG und § 40 BDG belehrt, wodurch sich der Leiter der Sektion I keinen Vorteil gegenüber Entacher unter Ausnutzung dessen fehlenden Wissensstandes verschafft habe (Das wurde durch den beim Gespräch mit dem Sektionschef anwesenden Zeugen Kammerhofer bestätigt.). Weil die Verwendungsänderung durch die Berufungskommission aufgehoben und die Weisung des BMLVS für rechtswidrig erklärt worden sei, wäre ihm auch dadurch kein Schaden entstanden.

Auch der Bundesminister sei vor der Weisungserteilung von Mag. Kemperle auf die Erfordernis eines Vorhalteverfahrens und einer verwendungsändernden Versetzung durch Bescheid hingewiesen worden. Deshalb sei der Tatbestand des Amtsmissbrauchs durch den Sektionschef nicht erfüllt. Außerdem seien Wissentlichkeit und Schädigungsvorsatz nicht nachweisbar.

Der Leiter der Sektion I erklärte gegenüber der Staatsanwaltschaft, die Weisung des Ministers sei für ihn rechtlich zulässig und inhaltlich im Hinblick auf  den eingetretenen Vertrauensverlust wegen der ihm mitgeteilten Verfehlungen des Generalstabschef nachvollziehbar gewesen. Der Bundesminister sei durch das Bundesministeriengesetz und das Beamtendienstrechtsgesetz dazu verpflichtet, das Fehlverhalten „unverzüglich abzustellen“. Eine Anzeige bei der Disziplinarbehörde hätte einige Zeit in Anspruch genommen. Der Zeuge Generalleutnant Mag. Erich Csitkovits, zum fraglichen Zeitpunkt Stabschef im Kabinett von Bundesminister Darabos, konnte sich an den konkreten Inhalt der Beratung des Sektionchefs Kemperle nicht mehr erinnern. Der ehemalige Bundesminister Mag. Darabos wurde nicht befragt, da durch die lange zurückliegenden Ereignisse keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien und sich Darabos auf sein Recht zur Aussageverweigerung nach der Strafprozessordnung berufen könnte.