Die Volksanwaltschaft kritisiert in ihrem heute erschienenen Bericht den Zustand der Hubschrauberflotte des Bundesheeres. Am 17. Juni 2014 musste ein Aufklärungshubschrauber OH-58B „Kiowa“ eine harte Landung in der Wattener Lizum durchführen. Dabei wurden ein 30-jähriger Unteroffizier getötet und die Einsatzpilotin sowie ein Luftaufklärer schwer verletzt. Das Unglück hatte auch den Abbruch der Übung „Schutz 2014“ zur Folge.

Abb. 1: Wrack der verunglückten OH-58B „Kiowa“ am Truppenübungsplatz Hochfilzen (Foto: Bundesheer/Gunter Pusch)

Der Vorfall wurde von einer Flugunfallkommission untersucht. Grund für den Absturz war der Ausfall des Heckrotors (Fachausdruck: „Loss of Tailrotor Effectiveness“). Dadurch begann sich der Hubschrauber um die Längsachse zu drehen, schmierte ab und prallte auf einem Berghang auf.

Nach Erkenntnissen der Volksanwaltschaft kam das BMLV manchen Empfehlungen der Untersuchungskommission nicht nach. Den Grund, dass etwa erforderliche Flugsimulatoren nicht beschafft wurden (die zum Training der Piloten für einen Ausfall des Heckrotors benötigt werden), verortet das Gremium beim jahrzehntelang andauernden Sparprogramm im Bundesheer. Schon im Mai 2001 hatte der Rechnungshof einen Prüfbericht zum Hubschrauberwesen im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung publiziert. Er empfahl dem BMLV u.a. einen Ausbildungssimulator zu beschaffen, wodurch Flugstunden im damaligen Wert von mehr als 20 Mio. ÖS eingespart werden könnten. Obwohl das Ministerium die Umsetzung zusagte, dauerte es Jahre bis so ein Projekt wieder diskutiert wurde. Erst 2013 versuchte das BMLV drei neue Sikorsky S-70M Black Hawk (eine Weiterentwicklung des in Österreich verwendeten S-70A42 Black Hawk) über das Foreign Military Sales-Programm der USA zu beschaffen und die Lücke bei den Ausbildungsmitteln zu füllen.

Dieses Projekt umfasste folgende Komponenten:

Abb. 2: Transportable Black Hawk Operations Simulator (Foto: Rockwell Collins)

  • 8 Nachtsichtbrillen AN/AVS-9
  • 1 Aviation Ground Power Unit
  • 8 Embedded Global Positioning Systems mit Trägheitsnavigation
  • Kommunikationsausrüstung
  • Garantie
  • Unterstützung zur Gewährleistung der Flugtauglichkeit
  • Baumaßnahmen
  • Ersatzteile
  • Unterstützungsausrüstung
  • Kommunikationsausrüstung
  • Publikationen und technische Dokumentation
  • Ausbildung
  • Ausbildungsgerät
  • Lokalaugenschein (Site Survey)
  • Werkzeuge und Testausrüstung
  • Technische und logistische Unterstützung durch die US-Regierung und die Herstellerfirma

Die Kosten wurden mit 137 Mio. $ beziffert. Diese setzten sich wie folgt zusammen:

  • Major Defense Equipment … 72 Mio. $
  • Other … 65 Mio. $

Als Major Defense Equipment gelten alle Rüstungsgüter von der U.S. Munitions List, deren Entwicklungskosten über 50 Mio. $ oder deren Gesamtproduktionskosten über 200 Mio. $ liegen.

Abb. 3: Brief des Direktors der Defense Security Cooperation Agency (DSCA) an den Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, bezüglich des Verkaufs von drei S-70M „Black Hawk“ an die Republik Österreich.

Wegen drastischer Budgetkürzungen wurde die Anschaffung der neuen Hubschrauber und des Simulators im Februar 2014 gestrichen. Der Generalstab zeigte in seinem Bericht an den Nationalrat vom Februar 2016 erneut den Bedarf für eine Aufstockung der Flotte an mittleren Transporthubschraubern auf:

Die vorgesehene Reduktion der Hubschrauberflotte (OH 58 und Alouette 3) macht den Ersatz von Luftransportkapazität im Ausmaß von ca. 50 Soldaten zum Erhalt der derzeitigen Leistungsfähigkeit notwendig.

Für die Bewältigung von zukünftigen Aufgaben ist jedenfalls mit der Erhöhung des Bedarfes an Lufttransportkapazität zu rechnen.

Mit drei mittleren Transporthubschraubern (S70) kann bei der Annahme der jeweiligen Transportkapazität von 14 Personen pro Hubschrauber zumindest der derzeitige Bedarf stabilisiert werden.

 

Die Beschaffung von S70 ist grundsätzlich durch das gültige Militärische Pflichtenheft (24 Stk) abgedeckt.

Die Flugunfallkommission erhob außerdem die Forderung nach der Anschaffung leistungsstärkerer Hubschrauber als Nachfolger der OH-58B Kiowa. Solche Hubschrauber würden mehr Sicherheitsreserven bieten. Weiters müssten wegen des Bedarfs an erhöhter Flugbeweglichkeit die bisherigen Sitzplatzkapazitäten (inklusive der schon im August 2009 ersatzlos ausgemusterten Augusta Bell AB.206A) zumindest erhalten bleiben. Eine Aufstellung in der Zeitschrift „Truppendienst“ beschrieb 2008 den Zustand der leichten Hubschrauberflotte des Bundesheeres wie folgt:

Vgl.: Truppendienst Spezial. Die Streitkräfte Europas II, H 3 (2008), p. 9

Dies bedeutet eine erforderliche Sitzplatzkapazität von mindestens 278 Personen. Mit den bisher kolportierten 12 neuen Mehrzweckhubschraubern wäre eine solche Transportleistung nicht zu bewerkstelligen (Ein mögliches Referenzmuster, die Airbus Helicopters H135M, ist für nur acht Personen zugelassen. Damit wären 35 neue Helikopter erforderlich. Im Falle der schwereren H145M, die 12 Personen transportieren kann, käme man mit 24 Hubschraubern aus.).

Die Volksanwaltschaft kritisiert, dass eine Nachbeschaffung neuer Mehrzweckhubschrauber trotz der ab 2019 endenden Nutzungsdauer der OH-58B nicht mehr rechtzeitig eingeleitet wurde. Stattdessen hätten laut Stellungnahme des BMLVS lediglich „allgemeine Überlegungen zu Nachfolgetypen“ stattgefunden. Bundesminister Kunasek berichtete am 10. April 2018 im Budgetausschuss des Parlaments, dass das Beschaffungsprogramm ein Volumen von 350 Mio. € haben werde. Eine Presseaussendung des BMLV vom 18. April 2018 deutet aber darauf hin, dass eine Beschaffungseinleitung wegen der fehlenden Einvernehmensherstellung zwischen dem Bundesminister für Landesverteidigung und dem Bundesminister für Finanzen noch immer ausständig ist (Laut der Vorhabensverordnung ist die finanzielle Bedeutung des Projekts wegen des Umfangs von über 5 Mio. € als erheblich anzusehen.):

Zudem beabsichtigt Kunasek mit dem Finanzminister allfällige weitere Sicherheitspakete anlassbezogen zu schnüren. Als erste diesbezügliche konkrete Maßnahme werden die Finanzierung eines Hubschrauberpakets und ein Mobilitätspaket ins Auge gefasst.

Zum Vergleich: Die Fachzeitschrift „Europäische Sicherheit & Technik“ beziffert den Auftragswert der 2013 für die Spezialeinsatzkräfte der deutschen Bundeswehr beschafften 15 Airbus Helicopters H145M (LUH SOF) mit 194 Mio. EUR.