Die Strukturanpassung der Heeresgliederung NEU

Der damalige Bundesminister für Landesverteidigung, Dr. Werner Fasslabend, legte dem Nationalrat am 23. Jänner 1997 den Situationsbericht 1996 vor. Darin wurden der aktuelle Zustand des Bundesheeres und weitere notwendige Entwicklungsschritte dargestellt. Die maßgeblichen Schwerpunkte für die Aufgabenstellung der österreichischen Streitkräfte lagen bei

[…] jeder Art von Assistenzleistung, vermehrtem Engagement für
internationale Missionen zur Friedenssicherung und ausreichender Größe zum Schutz der EU-Außengrenze.

Bericht des Landesverteidigungsausschusses betreffend den Situationsbericht 1996 des Bundesministers für Landesverteidigung (III-73 der Beilagen) und über den Antrag 112/A(E) der Abgeordneten Hans Helmut Moser und Genossen betreffend Vorlage eines Berichtes über den Zustand des Bundesheeres. Online verfügbar unter: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XX/I/I_00582/index.shtml (Abgerufen am 25. 10. 2015, 11:45)

Die Folge dieses Berichts war die Strukturanpassung der Heeresgliederung-Neu (HG STRAN bzw. „Heeresgliederung 98“), die eine weitere Reduktion des des Mobilmachungsrahmens auf 110.000 Mann (92.000 Mann + 20 % Personalreserve) mit sich brachte. Die mobilzumachenden 12 Jägerbrigaden und 3 Panzergrenadierbrigaden wurden in  3 stehende Jägerbrigaden und 2 stehende Panzergrenadierbrigaden umgewandelt. Zusätzlich wurden 20 territoriale Miliz-Jägerbataillone beibehalten. Die neue Struktur wurde am 10. Februar 1998 von der Regierung Vranitzky beschlossen.

Einigung der Regierungsparteien zur Heeresreform (10. Februar 1998)

Struktur der HG STRAN

Abb. 1: Struktur der HG-NEU/HG STRAN

Schon vor Beschluss dieser Gliederung regte sich Kritik. Der Generaltruppeninspektor des Österreichischen Bundesheeres, General Karl Majcen, gab am 18. November 1997 bei einem Vortrag vor der Österreichischen Gesellschaft für Landesverteidigung und Sicherheitspolitik (Titel: „Aktuelle Probleme der militärischen Landesverteidigung“) zu Protokoll:

Wenn der Eigentümer, d.h. die Republik, aus welchen Gründen immer, dem Unternehmen Bundesheer die Mittelzufuhr nun schon seit Jahren unter den Erfordernissen hält (halten muß?!), dann muß die Unternehmensleitung reagieren. Zusammen mit der Entscheidung, das Ressort hätte alle Zusatzkosten (und sei es auch in der Erfüllung eines speziellen Regierungsauftrages, z.B. Assistenzeinsatz) aus dem festgelegten Budget zu tragen, ist verstärkter Handlungsbedarf
erwachsen.

Vor allem letzteres hat zu einer Einengung jener Mittel geführt, die den von mir immer wieder genannten ‚Investitionsstau‘ nicht nur prolongieren, sondern sogar noch erhöhen. Verbunden mit den Erwartungen der nächsten Jahre liegt hier der entscheidende Auslöser für Struktureingriffe, um zumindest mittelfristig Betriebskosten soweit zu reduzieren, daß inzwischen hinzugekommene Aufgaben ohne Schaden für die vom BH erwartete Aufgabenerfüllung insgesamt erfüllbar sind und daß in einem längerfristigen Vorgang (bis zu 10 Jahren) wieder dringende Beschaffungen für ein dann verkleinertes Bundesheer eingeleitet werden können.

Außerdem merkte er zur Ressourcenlage kritisch an:

Es läßt sich also z.B. klar abschätzen, daß neben einer gewissen, bereits eingeleiteten Modernisierung der mech Truppe es innerhalb absehbarer Zeit unmöglich ist, die Zahl der ‚Kampfbataillone‘ in den Panzergrenadierbrigaden zu erhöhen. Ebenso klar muß die Unmöglichkeit erkannt werden, ohne dramatische  Reduktionen bei den Personal- und Betriebskosten mittelfristig das Ziel der „Härtung“ der ursprünglich ins Auge gefaßten Zahl von Jägerbataillonen zu erreichen.

General Majcen ging dabei von einem Umstellungszeitraum von zwei Jahren aus. Die Umsetzung der Gliederung begann aber erst am 1. April 1999, als die 1., 6. und 7. Jägerbrigade aufgestellt wurden. Von diesen sollte die 1. Jägerbrigade (Stabsbataillon 1, Jägerbataillon 12, Jägerbataillon 17, Jägerbataillon 19) „gehärtet“ und dementsprechend mit Mannschaftstransportpanzern „Pandur“ ausgestattet werden (Neben dem Jägerregiment 5/Jägerbataillon 17 auch die 2. Jägerkompanie des Jägerbataillon 12.). Das spiegelte sich auch in den Verbandsabzeichen wieder:

Verbandsabzeichen der 1. Jägerbrigade

Abb. 2: Verbandsabzeichen der 1. Jägerbrigade (Foto: Bundesheer)

 

Jägerbataillon 12

Abb. 3: Verbandsabzeichen des Jägerbataillon 12 (Foto: Bundesheer)

Das Jägerregiment 5 (Straß, Bad Radkersburg), bestehend aus einer Stabskompanie, drei gepanzerten Jägerkompanien, einer s-Kompanie (schwere Kompanie, später „Kampfunterstützungskompanie“ genannt – Aufklärungszug, Granatwerferzug, Pionierzug, Panzerabwehrlenkwaffenzug), der Betriebsversorgungsstelle 5 und dem Aufstellungsstab VOREIN/FORMEIN, war schon im November 1996 als „Prototypverband“ mit den ersten von 68 dieser Fahrzeuge ausgestattet worden. Zu diesem Zweck fanden Ausbauarbeiten statt: Zwischen 1997 und 2000 entstanden vier Einstellhallen für Mannschaftstransportpanzer samt Wartungseinrichtungen, ein Wachgebäude, eine neue Tankanlage und ein Betriebsmittellager (Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport / Kommando Jägerbataillon 17: 160 Jahre Garnison Straß. 1852 – 2012, p. 54).

Abb. 2: Mannschaftstransportpanzer „Pandur“ bei der Präsentation des „Mech-Pakets“ am 19. September 1997 (Foto: Bundesheer)

Abb. 4: Mannschaftstransportpanzer „Pandur“ bei der Präsentation des „Mech-Pakets“ am 19. September 1997 (Foto: Bundesheer)

Die Befürchtungen des Generaltruppeninspektors bewahrheiteten sich: Die schon im Rahmen der HG NEU von 1992 vorgesehene Anschaffung von insgesamt 500 Radpanzern (450 für die Jägertruppe + 50 für UN-Einsätze; 62 Radpanzer pro Jägerbataillon) wurde nur in der ersten Tranche von 68 Stück realisiert. Aus Einsparungsgründen rückte man auch von der Ausstattung mehrerer Bataillone mit den neuen Radpanzern ab.

Nach einer Erprobung des Fahrzeugs beim Aufklärungsbataillon 3 in Mistelbach seit 12. November 1996, wurden sämtliche „Pandur“ ab 1999 aus finanziellen Gründen beim Jägerbataillon 17, dem Nachfolgeverband des Jägerregiments 5, konzentriert (Die 5. Jägerbrigade wurde mit Wirkung vom 1. April 1999 aufgelöst.). Bemängelt wurde die fehlende infanteristische Stoßkraft, durch die Verfügbarkeit von lediglich zwei gepanzerten Jägerkompanien. Dieser Verband bildet seither einen Kern des Auslandsengagements des Bundesheeres.

Regierungswechsel 2000 – neue Prioritäten

Die Strukturanpassung der Heeresgliederung-Neu war schon am 2. Februar 2000 obsolet, als Jörg Haider und Wolfgang Schüssel nach achttägigen Verhandlungen das Regierungsprogramm für die XXI. Gesetzgebungsperiode vorstellten. Einige Punkte ließen grundlegende Änderungen in der sicherheits- und verteidigungspolitischen Ausrichtung Österreichs erkennen:

Ziel ist eine europäische Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft, an der Österreich und die anderen EU-Mitgliedsstaaten mit gleichen Rechten und Pflichten teilhaben. Die Bundesregierung ist bestrebt, einen möglichst breiten nationalen Konsens dazu herbeizuführen.

 

Angesichts des Umstandes, dass die europäische und die transatlantische Sicherheit auf das engste miteinander verknüpft sind, wird sich Österreich für umfassende institutionelle Beziehungen und eine effektive Kooperation zwischen der Europäischen Union und der NATO einsetzen. Österreich wird seine eigenen Beziehungen zur NATO weiterentwickeln, wie es den Erfordernissen seiner Sicherheit und seiner vollen und gleichberechtigten Teilnahme an der europäischen Sicherheitsarchitektur entspricht. Die Option einer späteren Mitgliedschaft wird eröffnet.

 

Die Entscheidungsgrundlagen für die Umgestaltung des Bundesheeres zu einem Freiwilligenheer sind vorzubereiten.

  • Einrichtung einer hochrangigen sicherheits- und verteidigungspolitischen Expertenkommission unter Vorsitz des Verteidigungsministers oder von ihm bestellten Vertreters (GTI) und unter Einbeziehung der betroffenen Ressorts (BKA, BMaA und BMI).
  • Erarbeitung eines Konzepts für die Erfüllung der österreichischen Friedens- und Sicherheitserfordernisse.
  • Aufgabendefinition des Bundesheeres unter Berücksichtigung einer ausreichenden Sollstärke.
  • Überprüfung der Auswirkungen auf die Verteidigungsdoktrin.
  • Umstellungspläne und Kostenevaluierung.
  • Notwendige Anpassungen im Dienstrecht.
  • Evaluierung der Auswirkungen auf den Zivildienst und den Arbeitsmarkt.

Die Erfüllung der hierfür festgestellten notwendigen Rahmenbedingungen rechtlicher, materieller und personeller Art ist Voraussetzung für die Durchführung.

 

7. Österreich wird auch darauf achten, in den sich auf der Basis des Vertrages von Amsterdam und der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Köln und Helsinki entwickelnden europäischen Sicherheitsstrukturen gleichberechtigt eingebunden zu sein.

Das bedeutet unter anderem, dass sich Österreich

  • an allen in der EU neu entstehenden sicherheitspolitischen Planungs- und Entscheidungsstrukturen (z.B. an einem künftigen EU-Militärstab, zivilen
    Krisenmanagementkomitee etc.)
  • an den Institutionen der industriellen europäischen Rüstungszusammenarbeit,
  • an künftigen multinationalen Verbänden des europäischen Krisenmanagements, etwa an einem – für diese Zwecke neu geschaffenen oder umgestalteten – Euro-Korps voll beteiligen wird.

Zusätzlich war die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge zur Ablöse der zwischen 2003 und 2005 zur Ausmusterung vorgesehenen Saab J-35 „Draken“ vorgesehen:

Kostengünstige Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge. Die Bundesminister für Landesverteidigung und Finanzen werden gemeinsam die Voraussetzungen entwickeln, dass der Ankauf rechtzeitig in dieser Legislaturperiode erfolgen kann, im Rahmen der Möglichkeiten des Gesamtbudgets, aber ohne zusätzliche Belastung für das Budget des BMLV.

Das Ziel einer Umstellung des Wehrsystems wurde von einer am 26. April 2000 eingerichteten Expertenkommission (EXPERKOM) unter Leitung von Generaltruppeninspektor Horst Pleiner bearbeitet. Diese sollte bis Ende des Jahres 2000 einen Zwischenbericht vorlegen, der aber erst am 11. Mai 2001 veröffentlicht wurde. Darin wurde dem Konzept eines Freiwilligenheeres aus Kostengründen eine deutliche Absage erteilt.

Nachdem im Regierungsprogramm die Option eines NATO-Beitritts erwähnt wurde, kam es zur Ausarbeitung einer Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin. Der Bericht betreffend Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin; Analyse-Teil wurde am 24. Jänner von der Bundesregierung dem Nationalrat vorgelegt, der ihn am 19. April im Landesverteidigungsausschuss in Verhandlung nahm. In neun Sitzungen konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. Der Bericht wurde am 7. Dezember 2001 im Landesverteidigungsausschuss mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP zur Kenntnis genommen und ein Antrag auf Annahme der Entschließung betreffend eine neue österreichische Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin (42/AEA)  abgesegnet. SPÖ und Grüne lehnten den Entwurf und den Entschließungsantrag ab. Kern war ein Paradigmenwechsel „von der Neutralität zur Solidarität“ und eine Ablöse des Begriffs der Neutralität durch „Allianzfreiheit“, legitimiert durch die bereits erfolgte Aushöhlung des Neutralitätsgesetzes mittels des Art. J.4 des Vertrags von Maastricht und der Ratifizierung des Vertrags von Amsterdam durch den Nationalrat.

Die konventionellen Landesverteidigung wurde eine untergeordnete Rolle eingeräumt.

Eine existenzbedrohende Aggression gegen Österreich mit konventionellen Streitkräften ist nur im Falle einer grundlegenden strategischen Veränderung der politischen Lage in Europa denkbar; eine solche hätte nach derzeitigen militärstrategischen Beurteilungen eine Vorlaufzeit von 7-10 Jahren. Trotz derzeit geringer Wahrscheinlichkeit ist sie aber nicht auszuschließen.

Gleichzeitig wurde in den Allgemeinen Empfehlungen das System der Umfassenden Landesverteidigung, das seinen Ursprung noch im Landesverteidigungsplan 1984 hatte, aufgegeben und durch einen neuen Begriff ersetzt:

4. Weiterentwicklung der Umfassenden Landesverteidigung zu einem System der umfassenden Sicherheitsvorsorge durch Ausrichtung auf die neuen Risiken und Bedrohungen und Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen.

Das Hauptaugemerk lag auf dem Aufbau einer europäischen Verteidigung, mit gleichzeitigem Interesse an einem möglichen Beitritt zur NATO:

12. Prioritäre Unterstützung allfälliger künftiger Bemühungen, die in Artikel 17 des EU-Vertrages aufgezeigte Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung zu verwirklichen.

13. Konsequente Weiterentwicklung der Beziehungen Österreichs zur NATO im Rahmen eines maßgeschneiderten Dialogs. Ausschöpfung der Kooperations- und Dialogmöglichkeiten, die im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden geboten werden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen EU und NATO im Sinne einer strategischen Partnerschaft zwischen beiden Organisationen wird als Voraussetzung für einen Erfolg der ESVP angesehen.

14. Der Erweiterungsprozess der NATO wird als ein Beitrag zur Förderung von Sicherheit und Stabilität in Europa begrüßt und liegt auch im sicherheitspolitischen Interesse Österreichs. Der sicherheits- und verteidigungspolitische Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird von Österreich im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklungen laufend beurteilt und die Beitrittsoption im Auge behalten. Ein Beitritt zur NATO würde nur mit Zustimmung der Bevölkerung (Volksabstimmung) erfolgen.

Die Folgerungen aus diesen sicherheitspolitischen Vorgaben auf die Fähigkeitsentwicklung des Österreichischen Bundesheeres waren ambitioniert, aber aus politischen und finanziellen Gründen kam es nie zu einer Umsetzung:

1. Gewährleistung einer militärischen Verteidigungsfähigkeit, die sich aus der konkreten militärstrategischen Lage ableitet. Ein existenzbedrohender konventioneller militärischer Angriff gegen Österreich ist derzeit nicht abzusehen, während die Fähigkeit punktuellen Angriffen entgegenzutreten ständig zu gewährleisten ist. Dazu gehört die Bereithaltung und Weiterentwicklung aller militärischen Kernfunktionen auf hohem technologischen Niveau in einem operativ durchsetzungsfähigen Kräfteumfang. Bei einer künftigen Änderung der sicherheitspolitischen Lage soll mit diesem Potenzial die Aufwuchsfähigkeit der Streitkräfte sichergestellt werden. Sicherstellung einer ständigen Luftraumüberwachung und Luftraumsicherung im Anlassfall, der Abwehr subkonventioneller Angriffe sowie allfälliger konventioneller Bedrohungen.

2. Entwicklung und Erhaltung der Fähigkeit zur Teilnahme an einer gemeinsamen Verteidigung in adäquater Stärke, das ist aus heutiger Sicht der Umfang eines Divisionsäquivalents.

3. Befähigung des Bundesheeres zur Teilnahme am gesamten Spektrum der Petersbergaufgaben in multinationalem Rahmen bis zum Umfang einer Brigade bzw. eines Brigadeäquivalents.

Der von der Bundesregierung vorgesehene Beitrag zu den Petersbergaufgaben der Europäischen Union beruhte noch auf den Beschlüssen des Europäischen Rates von Helsinki vom 10. und 11. Dezember 1999, dem Helsinki Headline Goal. Aus dem Zwischenbericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat (Helsinki) über die Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik:

Militärische Fähigkeiten für die Ausführung der Petersberg-Aufgaben

Die Mitgliedstaaten erinnern an ihre in Köln eingegangene Verpflichtung und ihre Entschlossenheit, die EU bei Vermeidung von unnötigen Duplizierungen mit den entsprechenden Fähigkeiten zu versehen, damit sie die Petersberg-Aufgaben zur Unterstützung der GASP in vollem Umfang ausführen kann. Solche Fähigkeiten werden es ihnen ermöglichen, effiziente EU—geführte Operationen durchzuführen und — das betrifft nur die in Betracht kommenden Staaten — ihre Rolle bei NATO—Operationen und NATO—geführten Operationen uneingeschränkt wahrzunehmen. Effizientere europäische militärische Fähigkeiten werden auf der Grundlage der bestehenden nationalen, binationalen oder multinationalen Fähigkeiten entwickelt, die für EU-geführte Krisenbewältigungsoperationen mit oder ohne Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO gebündelt werden. Besonderes Augenmerk wird den Fähigkeiten gelten, die für eine wirksame Krisenbewältigung notwendig sind: Verlegbarkeit, Durchhaltefähigkeit, Interoperabilität, Flexibilität, Mobilität, Überlebensfähigkeit sowie Streitkräfteführung, wobei den Ergebnissen der von der WEU durchgeführten Überprüfung der Mittel und Fähigkeiten und ihrer Auswirkungen auf EU—geführte Operationen Rechnung zu tragen ist.

Für die Entwicklung der europäischen Fähigkeiten haben sich die Mitgliedstaaten ein Leitziel gesetzt: Bis zum Jahr 2003 werden sie im Rahmen der freiwilligen Zusammenarbeit in der Lage sein, bei entsprechenden Operationen Streitkräfte bis zur Korpsgröße (d.h. bis zur Stärke von 15 Brigaden bzw. mit einer Stärke von 50.000 bis 60.000), die in der Lage sind, den im Amsterdamer Vertrag genannten Petersberg-Aufgaben, einschließlich von Aufgaben mit größten Anforderungen, in vollem Umfang gerecht zu werden, rasch zu verlegen und dann einsatzfähig zu halten. Diese Streitkräfte sollten militärisch durchhaltefähig sein und über die erforderlichen Fähigkeiten in bezug auf Streitkräfteführung und strategische Aufklärung, die entsprechende Logistik, andere Kampfunterstützungsdienste und gegebenenfalls zusätzlich Komponenten der See- und Luftstreitkräfte verfügen. Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, auf dieser Ebene innerhalb von 60 Tagen die Streitkräfte in vollem Umfang zu verlegen und in diesem Rahmen Krisenreaktionskräfte in kleinerem Umfang vorzusehen, die mit einem sehr hohen Bereitschaftsgrad verfügbar und verlegbar sind. Sie müssen in der Lage sein, eine solche Verlegung für mindestens ein Jahr aufrechtzuerhalten. Dies wird zusätzlich bereitzustellende verlegbare Einheiten (und Unterstützungselemente) mit einem geringeren Bereitschaftsgrad erfordern, damit eine Ablösung der ursprünglichen Streitkräfte vorgesehen werden kann.

Die Mitgliedstaaten haben ferner beschlossen, rasch kollektive Fähigkeitsziele in den Bereichen Streitkräfteführung, strategische Aufklärung und strategischer Transport zu entwickeln – Bereichen, die auch im Rahmen der WEU-Bestandsaufnahme benannt worden sind. Sie begrüßen in dieser Hinsicht die bereits von einigen Mitgliedstaaten angekündigten Entscheidungen, die darauf ausgerichtet sind,

  • Mittel für die Überwachung und die militärische Frühwarnung zu entwickeln und zu koordinieren,
  • den Offizieren aus anderen Mitgliedstaaten den Zugang zu den bestehenden teilstreitkräfteübergreifenden nationalen Hauptquartieren zu eröffnen,
  • die Fähigkeiten der bestehenden europäischen multinationalen Streitkräfte zur Krisenreaktion zu verstärken,
  • die Schaffung eines europäischen Lufttransportkommandos vorzubereiten,
  • die schnell verlegbaren Truppen zahlenmäßig zu verstärken,
    die strategische Seetransportkapazität zu verbessern.

Der Rat (Allgemeine Angelegenheiten) wird unter Beteiligung der Verteidigungsminister die Leit- und Fähigkeitsziele ausarbeiten. Er wird ein Konsultationsverfahren entwickeln, mit dem diese Ziele erreicht und aufrechterhalten werden können und mit dem die einzelstaatlichen Beiträge, die den politischen Willen und die Verpflichtung der Mitgliedstaaten in bezug auf diese Ziele widerspiegeln, von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden können, wobei die erzielten Fortschritte regelmäßig zu überprüfen sind. Außerdem würden die Mitgliedstaaten die bestehenden Verfahren der Verteidigungsplanung anwenden, gegebenenfalls einschließlich der Verfahren im Rahmen der NATO und des Planungs- und Überprüfungsprozesses (PARP) der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Diese Ziele und die Ziele, die sich für die betreffenden Länder aus der NATO-Initiative zur Verteidigungsfähigkeit (DCI) ergeben, werden einander verstärken.

Zur Erfüllung der Zielvorgabe einer möglichen Entsendung von bis zu 3.500 Soldatinnen und Soldaten in Einsätze der Europäischen Union begann das BMLV Kräfte für internationale Operationen/Kaderpräsenzeinheiten (KIOP/KPE) aufzubauen. Bisher beruhten die Auslandseinsätze des Bundesheeres vorwiegend auf Vorbereiteten Einheiten (VOREIN) und Milizkräften. Die Basis für den Aufbau der KIOP/KPE bildete die 2. Dienstrechts-Novelle 2003 mit einer Änderung des Gehaltsgesetzes 1956 und des Vertragsbedienstetengesetzes 1948. Bis Ende 2007 sollten ca. 1000 KIOP-Vertragsbedienstete eingestellt werden, das Personaljahrbuch 2007 spricht von nur 575 vertraglich beschäftigten KPE-SoldatInnen zum Stichtag 31.12.2006.

Hinzu kamen im Empfehlungsteil zur Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin grundsätzliche Vorgaben zur Aufgabenerfüllung:

6. Die derzeitigen Rahmenbedingungen erfordern die Abdeckung des gesamten militärischen Aufgabenspektrums, was personell nur durch die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht bewältigt werden kann. Das Anforderungsprofil erfordert aber eine stufenweise Erhöhung des Professionalisierungsgrades und des Freiwilligenanteils.

7. Sicherstellung von Kapazitäten für Assistenzeinsätze zur Hilfeleistung bei Katastrophen, zur Assistenz des BMI im Falle terroristischer Bedrohungen sowie zur sicherheitspolizeilichen Grenzüberwachung und zum Objektschutz.

Der Ministerrat beschloss den Empfehlungsteil am  16. Jänner 2002. Damit verfügte Österreich zum ersten Mal seit dem Beschluss der letzten Verteidigungsdoktrin am 10. Juni 1975 wieder über ein sicherheitspolitisches Grundsatzdokument.

Auf Basis dieser Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin sollten mehrere Teilstrategien entwickelt werden.

Der Nationalrat ersucht daher die Bundesregierung, auf Grundlage der vorliegenden Empfehlungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik für alle sicherheitspolitisch relevanten Bereiche Teilstrategien auszuarbeiten. Die Teilstrategien sollen insbesondere jene Maßnahmen enthalten, die zur Umsetzung der Empfehlungen
erforderlich sind.

Diese Teilstrategien sollen entsprechend den internationalen Rahmenbedingungen laufend überprüft, koordiniert und gegebenenfalls angepasst werden.

Die Teilstrategien sollen sich insbesondere auf die Bereiche Außenpolitik, Verteidigungspolitik sowie Innere Sicherheit beziehen. Darüber hinaus sollen auch Teilstrategien zu den Bereichen Wirtschafts-, Landwirtschafts-, Verkehrs-, Infrastruktur- und Finanzpolitik sowie zur Bildungs- und Informationspolitik ausgearbeitet werden.

Wegen der Neuwahlen im Jahr 2002 verzögerte sich die Ausarbeitung der Teilstrategie Verteidigungspolitik. Sie wurde schließlich bei der Bearbeitung der nächsten Heeresgliederung als Entwurf publiziert und diente u.a. als Basis für die Neustrukturierung des Bundesheeres. In einem Positionspapier Verteidigungspolitik vom 27. November 2003, erstellt durch die damalige Bundesheer-Reformkommission, war zwar die Ausarbeitung einer finalen Teilstrategie angepeilt, eine Umsetzung dieses Vorhabens ist aber nicht erfolgt:

1. Durch den Wegfall des Ost-West-Konflikts sowie durch die Erweiterung der Europäischen Union und der NATO haben sich die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen für Österreich grundlegend geändert.

Die Bundesheerreformkommission hat sich daher eingangs mit
der Verteidigungspolitik und den damit verbundenen politischstrategischen Rahmenbedingungen, der Gefährdungs- und Bedrohungslage und der sich daraus ergebenden Aufgabenstruktur des Österreichischen Bundesheeres (abgeleitet aus den relevanten Abschnitten des Entwurfes der Teilstrategie/Verteidigungspolitik, welche bis zum Kommissionsende in seiner endgültigen Fassung vorliegen wird) beschäftigt

Alle anderen Teilstrategien wurden nie veröffentlicht. Laut Auskunft der Abteilung IV/6 – Sicherheitspolitische Angelegenheiten und Nationaler Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt bildete das Dokument Umfassende Sicherheitsvorsorge. Das sicherheitspolitische Konzept Österreichs (November 2005), bestehend aus den Entwürfen für die

  • Gesamtstrategie
  • Teilstrategie Außenpolitik
  • Teilstrategie Verteidigungspolitik
  • Teilstrategie Innere Sicherheit
  • Teilstrategie Verkehrs- und Infrastrukturpolitik
  • Teilstrategie Bildungs- und Informationspolitik
  • Teilstrategie Wirtschaftspolitik
  • Teilstrategie Landwirtschaftspolitik
  • Teilstrategie Finanzpolitik und
  • Teilstrategie IKT-Sicherheit

lediglich „eine Arbeitsunterlage auf Beamtenebene“ und wurde von der Bundesregierung nicht beschlossen. Grundsätzlich war die Umfassende Sicherheitsvorsorge als Äquivalent zum Landesverteidigungsplan der 1980er-Jahre vorgesehen.

Die umfassende Sicherheitsvorsorge

  • ist die erste umfassende Sicherheitsstrategie seit dem Landesverteidigungsplan aus dem Jahr 1983;
  • beschränkt sich nicht auf ein Bedrohungsreaktionskonzept, sondern geht von dem Gedanken aus, durch den präventiven Einsatz sicherheitspolitischer Instrumente bereits das Entstehen von Bedrohungen und Konflikten zu verhindern;
  • ist ein modernes und zeitgemäßes Sicherheitskonzept, das den neuen Bedrohungsformen wie internationaler Terrorismus, organisierte Kriminalität, etc Rechnung trägt;
  • trägt dem Gedanken der Multidisziplinarität der Sicherheitspolitik Rechnung – nur durch koordinierten Einsatz sämtlicher sicherheitspolitischer Instrumente kann wirksame Sicherheitspolitik betrieben werden.
  • ist ein Konzept, das die Grundlagen für eine weit reichende Europäisierung der österreichischen Sicherheitspolitik festschreibt – die Sicherheit Österreichs und der EU sind untrennbar miteinander verbunden;
  • ist von dem Gedanken der internationalen Solidarität geprägt – den modernen Bedrohungen kann nicht mehr im Alleingang, sondern nur im Verbund mit anderen Staaten begegnet werden.

Das Österreichische Bundesheer spielte dabei nicht nur in der Teilstrategie Verteidigungspolitik, sondern auch in der Teilstrategie Verkehrs- und Infrastrukturpolitik

In lokalen und regionalen Katastrophen erfolgt die unmittelbare Informations- und Öffentlichkeitsarbeit aufgrund der vorwiegenden Zuständigkeit der Bundesländer in erster Linie auf der Landesebene. Wichtig ist hier jedoch auch die laufende Kommunikation mit den zuständigen Bundesdienststellen im Rahmen des Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements, das heißt v.a. ein wechselseitiger Informationsfluss zwischen den Landeswarnzentralen und der Bundeswarnzentrale, damit diese ergänzende Informationsaufgaben wahrnehmen können. Der Informationsfluss zum Bund kann insbesondere auch durch die Sicherheitsexekutive, das Bundesheer und sonstige Bundesdienststellen sichergestellt werden, die in die Katastrophenabwehr involviert sind. In überregionalen bzw. internationalen Krisensituationen liegt hingegen der Schwerpunkt der Informationsarbeit auf der Ebene des Staatlichen Krisenmanagements; ein entsprechender Informationsfluss zu den Ländern ist in umgekehrter Weise wichtig. Für die Information der Bevölkerung in Krisenfällen wurden im Rahmen des Staatlichen Krisenmanagements entsprechende Vorsorgen getroffen.

Es wäre aber weiterhin darauf hinzuarbeiten, dass bei allen Stellen, die potentiell Aufgaben im Rahmen des Krisen- und Katastrophenmanagements zu übernehmen haben, entsprechende Einrichtungen geschaffen bzw. ausgebaut werden. Erfahrungen, die bei der Bewältigung von Katastrophen gewonnen wurden, wären jeweils zu evaluieren, die vorhandenen Vorkehrungen und Konzepte im Lichte dieser Evaluierungen zu überprüfen und bei Bedarf weiterzuentwickeln. Dies betrifft auch Stellen, die erst im Zuge der längerfristigen Schadensbeseitigung involviert werden. Insbesondere sollte in den Krisenplänen aller Bundesministerien darauf ein entsprechender Schwerpunkt gelegt werden.

… und der Teilstrategie Landwirtschaftspolitik (als Lagerhalter für Lebensmittelvorräte) eine Rolle:

1.1 Land- und Forstwirtschaft

[…] Zur Regelung der Agrarmärkte legt die EU in den Mitgliedstaaten Lager an. Diese Lagerbestände befinden sich im Eigentum der EU. In einer Krisensituation können diese Lager, in denen sich unter Umständen Güter befinden, die national benötigt werden und sich auf eigenem Hoheitsgebiet befinden, nicht autonom genützt werden. Die Erfahrung aus der Hochwassersituation 2002 zeigt jedoch, dass diese Lager von der EU erforderlichenfalls auch kurzfristig freigegeben werden.

Den Großteil der Lagerbestände an landwirtschaftlichen Urprodukten und/oder an Verarbeitungsprodukten halten Produzenten, Genossenschaften, Produktenhändler, Verarbeitungs- und Handelsbetriebe sowie das Bundesheer.

 

ÖBH 2010

Die neue Bundesregierung, eine Koalition aus ÖVP und FPÖ, wurde am 28. Februar 2003 angelobt. Ihr Regierungsprogramm sah im Kapitel 3. Äußere Sicherheit und Landesverteidigung weiterhin eine starke Orientierung an EU und NATO vor:

  • Weiterentwicklung der ESVP: Unterstützung der Bemühungen zur Verwirklichung der in Art. 17 des EU-Vertrags aufgezeigten Möglichkeit einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Aktive Mitwirkung und Mitarbeit Österreichs an einer zukünftigen Beistandsgarantie im Rahmen der Europäischen Union. Aufnahme einer Solidaritätsklausel zur Bewältigung von terroristischen Bedrohungen im Rahmen der EU. Mitwirkung an einer zukünftig verstärkten Zusammenarbeit im Bereich von Sicherheit und Verteidigung.
  • Österreichischer Beitrag zum Headlinegoal der EU: österreichischer Beitrag von derzeit rund 1500 Soldaten für das militärische Planungsziel der EU, Sicherstellung der entsprechenden Ausrüstung und Maßnahmen im Personalbereich. Bereitstellung von Polizei- und Zivilschutzkräften sowie Justizpersonal für zivile Operationen im Rahmen der ESVP.
  • Konsequente Weiterentwicklung der Beziehungen Österreichs zur NATO im Rahmen des maßgeschneiderten Kooperationsprogrammes, der Partnerschaft für den Frieden und des Euroatlantischen Partnerschaftsrates. Unterstützung einer engen Zusammenarbeit zwischen EU und NATO. Der sicherheits- und verteidigungspolitische Nutzen einer NATO-Mitgliedschaft wird von Österreich im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklungen laufend beurteilt und die Beitrittsoption im Auge behalten. Ein Beitritt zur NATO würde nur mit Zustimmung der Bevölkerung (Volksabstimmung) erfolgen.
  • Umsetzung der Empfehlungen der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin einschließlich der Überprüfung und Weiterentwicklung der Gesamt- und Teilstrategien.

Ein Budgetziel wurde durch die Bundesregierung nicht festgelegt:

  • Ausreichende Vorsorge für die Umsetzung der gestellten Aufgaben.

Als Folge dieser Rahmenbedingungen stand auch eine Neugliederung des Bundesheeres auf der Agenda:

Die militärische Landesverteidigung muss auch in Österreich den Bedrohungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Dazu setzt die Bundesregierung unter Federführung des BMLV eine Reformkommission ein, die auf Basis der Bundesverfassung und der geltenden Sicherheits- und
Verteidigungsdoktrin die Grundlage für diese Reform bis spätestens Ende 2003 erarbeiten soll. Im Rahmen dieser Kommission sollen auch alle Fragen im Zusammenhang mit der militärischen Sicherung der österreichischen Souveränität geklärt werden.

Der neue Verteidigungsminister, Günther Platter, übernahm am 3. März 2003 die Führung des Verteidigungsministeriums von seinem Amtsvorgänger Herbert Scheibner. Zwei Wochen später berichtete er, im Zuge seiner  Antrittspressekonferenz (17. März 2003), dass eine Bundesheerreformkommission gebildet werde:

Daher wird eine Bundesheerreformkommission eingesetzt, die auf Basis der Bundesverfassung und der geltenden Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin die Grundlage für diese Reform erarbeitet. Folgende Schritte werden nun gesetzt: Ich setze unverzüglich, noch diese Woche, eine Vorbereitungsgruppe ein, die die Vorbereitungen und darüber hinaus auch den Auftrag für die Reformkommission klar definieren werden. Zum Zweiten wird die Reformkommission zusammengesetzt. Es wird ein ziviler Kopf sozusagen gegeben sein, eine anerkannte Persönlichkeit. Und es wird ein Mix sein von militärischen und zivilen Experten. Diese beiden Punkte, einerseits Arbeiten der Vorbereitungsgruppe und zum zweiten aber auch diese Reformkommission, werden bis Ende April sozusagen fertiggestellt sein. Dann beginnt die Reformkommission zum arbeiten und ich gehe davon aus, dass wir Ende dieses Jahres das Ergebnis der Reformkommission haben werden, damit im Jahre 2004 mit den Umsetzungsschritten begonnen werden kann.

In der Sitzung des Ministerrats vom 16. September 2003 hielt Verteidigungsminister Platter einen Vortrag an den Ministerrat über die Einrichtung einer Bundesheerreformkommission im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Darin formulierte der Verteidigungsminister folgende Ziele der Reform:

Das Ziel der Bundesheerreformkommission ist die Schaffung der Grundlagen für eine umfassende, langfristige und nachhaltige Heeresreform (Österreichisches Bundesheer 2010) auf der Grundlage der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin sowie des Entwurfs der Teilstrategie „Verteidigungspolitik“ in rechtlicher, organisatorischer, personeller, materieller und finanzieller Hinsicht.

Vor allem die Ziele der Langfristigkeit und Nachhaltigkeit wurden im Laufe der Zeit mit einem großen Fragezeichen versehen. Aber dazu später mehr.

Die Funktion des Vorsitzenden der Reformkommission übernahm der frühere Wiener Bürgermeister Dr. Helmut Zilk. Insgesamt gehörten der Gruppe ein 11-köpfiges Präsidium unter Leitung des Vorsitzenden (Vorsitzender, 4 Militärs,  5 Vertreter der politischen Parteien), ein Sicherheitspolitischer Berater (der damalige Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik des BMLV, Hon.-Prof. DDr. Erich Reiter), die aus 38 Mitgliedern bestehende Kommission (7 Militärs + 31 Zivilisten), 8 österreichische Experten (BMLV), 2 ausländische Experten (BMVg – Bundesrepublik Deutschland, VBS – Schweiz) und eine aus 14 führenden Offizieren und Militärtheologen bestehende Beobachtergruppe (BMLV) an. Die  Geschäftsordnung  legte fest, dass die Entscheidungsebene aus dem Präsidium, der Kommission, dem Sicherheitspolitischen Berater (ohne Stimmrecht) und der Expertengruppe (ohne Stimmrecht) bestehen sollte.

IslBG

Abb. 5: Gruppenfoto der Kommissionsmitglieder bei der 1. Sitzung der Bundesheer-Reformkommission am 21. Oktober 2003 (Foto: Bundesheer)

Personen- und Adressregister der Kommissionsmitglieder

Die Kommission bearbeitete im Laufe ihrer 7-monatigen Tätigkeit sieben Teilziele, die organisatorisch fünf Sachgebieten (Grundlagen, Streitkräfteentwicklung, Gesellschaft, Wirtschaft, Alltag im ÖBH) zugewiesen wurden:

  • Entwicklung der Verteidigungspolitik einschließlich der politisch-strategischen Rahmenbedingungen
  • Definition des Risiko- und Bedrohungsbildes (Gefährdungs- und Bedrohungslage)
  • Konzeption der Aufgabenstruktur des ÖBH (Überprüfung der Teilstrategie)
  • Erarbeitung der operationellen Fähigkeiten des Systems und der Teilsysteme – Führung, Führungsunterstützung, Kampfunterstützung und Einsatzunterstützung
  • Darstellung der sozial- und gesellschaftspolitischen Aspekte
  • Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Aspekte einschließlich der diesbezüglichen Rolle von CIMIC
  • Entwicklung von Konzepten zur Attraktivitätssteigerung des Alltages im
    Österreichischen Bundesheer
Abb. X: Projektorganisation ÖBH 2010

Abb. 6: Projektorganisation ÖBH 2010 (Grafik: Bundesheer)

 

Abb. 3: Sachgebiete der Arbeitsgruppen innerhalb der BHRK.

Abb. 7: Sachgebiete der Arbeitsgruppen innerhalb der BHRK.

 

Dabei ging man von einem Ablauf in vier Phasen aus:

  1. Schaffung der Grundlagen für die Projektarbeit durch das Sachgebiet Grundlagen (Phase I)
  2. Definition der operationellen Fähigkeiten durch das Sachgebiet Streitkräfteentwicklung und paralleler Beginn der Tätigkeit der anderen Sachgebiete (Phase II)
  3. Ableitung der Strukturen auf Basis der in Phase II definierten operationellen Fähigkeiten und Erstellung von Varianten, gegebenenfalls Erhebung des Mittelbedarfs und der daraus resultierenden Empfehlungen in einem Bericht an die Kommission (Phase III).

Bemerkenswert, vor allem unter dem Eindruck des im März/April 2003 stattfindenden Krieges einer internationalen Koalition unter Führung der USA gegen den Irak (Einsatz des Konzepts Network Centric Warfare), war dabei die Zusammenarbeit der zwei Arbeitsgruppen des Sachgebiets Streitkräfteentwicklung mit einer eigenen Studiengruppe Netzwerkorientierte Verteidigung der Wissenschaftskommission beim BMLV unter dem Schlagwort NOVA (Netzwerkorientierte Operative Verfahren Austria). Das im Rahmen der Studiengruppe erarbeitete Verfahren wird im folgenden Artikel der „Österreichischen Militärischen Zeitschrift“ detailliert beschrieben:

HABERMAYER Helmut, Network-Centric Warfare – Der Ansatz eines Kleinstaates, in: ÖMZ (2004) H 3

Insgesamt entstanden so innerhalb von fünf Monaten sechs Positionspapiere zu den vorgegebenen Sachgebieten. Für die weitere Entwicklung der Reform waren dabei folgende Aussagen bedeutsam:

Positionspapier Bundesheer und Gesellschaft

Die Bundesheerreformkommission wird konkrete Empfehlungen für die Weiterentwicklung des österreichischen Wehrsystems, speziell im Zusammenhang mit Inhalt, Dauer und materieller Absicherung der Wehrpflicht und des an diese geknüpften Zivildienstes, sowie dessen bedeutende Stellung für die sozialen Dienste in Österreich geben. Dabei wird auch die Beziehung zwischen Wehrpflicht und der Gewinnung von befristeten und unbefristeten Berufssoldaten und Berufssoldatinnen, sowie Milizsoldaten und Milizsoldatinnen zur Deckung des Personalbedarfs des Bundesheeres insgesamt zu beurteilen sein.

Positionspapier Streitkräfteentwicklung

Den neuen Risiken, Gefahren und Bedrohungen kann auch von einem neutralen Staat wie Österreich nur durch eine zunehmende Zusammenarbeit im Rahmen der internationalen Gemeinschaft und Solidarität im Rahmen der Europäischen Union begegnet werden.

Für das Österreichische Bundesheer bedeutet dies, seine internationalen Aufgaben (Teilnahme an UN- oder OSZE-mandatierten Einsätzen und an anspruchsvollen Einsätzen des EU-Krisenmanagements, wie sie einerseits durch die Petersberg-Aufgaben in ihrer Gesamtheit, andererseits durch mögliche Weiterentwicklungen in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik definiert werden) im Sinne der Interoperabilität mit den Streitkräften der EU und den Partnerländern (PfP) unter Zugrundelegung der Zielvorstellungen der EU, zum wesentlichen Faktor der Entwicklung seiner Kapazitäten zu machen.

Daher sind sowohl für die Inlandsaufgaben, als auch für die Auslandsaufgaben die notwendigen Ressourcen sicher zu stellen.

 

2. Das Bundesheer des Jahres 2010 sollte daher nachstehende operationelle Fähigkeiten aufweisen:

Permanente umfassende Lagefeststellung und –beurteilung unter Einbeziehung der subkonventionellen Bedrohungen als Voraussetzung zur Mitwirkung im nationalen und multinationalen Entscheidungs- und Führungsprozess sowie zur Unterstützung der eingesetzten Kräfte.

Einsätze zur Aufrechterhaltung der staatlichen Souveränität und Assistenzeinsätze (einschließlich des Schutzes gegen allfällige neue subkonventionelle Bedrohungen) durch strukturierte Kräfte im ausreichenden Ausmaß.

Assistenzeinsätze im Rahmen der nationalen Katastrophenhilfe zum Schutz der österreichischen Bevölkerung.

Gewährleistung der staatlichen Souveränität im Luftraum.

Unterstützung der Landstreitkräfte durch die Luftstreitkräfte vor allem durch Lufttransport und Luftaufklärung (zusätzlich abgestützt auf strategische Partner und Vertragslösungen) im In- und Ausland.

Führung einer multinationalen Brigade im Sinne des EU Framework-Nation-Konzepts [Dies bedeutet die Stellung der Kernfunktionen des Brigadestabes sowie zumindest zwei Bataillone der Kampftruppen und den wesentlichen Teil der Unterstützungskräfte sowie die Wahrnehmung der logistischen Sicherstellung für die eigenen Kräfte.] über das gesamte Spektrum der ESVP/Petersberg-Aufgaben. Die Gesamtstruktur des Bundesheeres 2010 sollte dabei eine Verweildauer im Einsatzraum von zumindest einem Jahr gewährleisten. Der Einsatz soll in einem drei bis vierjährigen Rhythmus wiederholbar sein.

Einsatz von bis zu zwei Bataillonen auch in getrennten Einsatzräumen jeweils aus weitgehend strukturierten Kräften. Im oberen Spektrum der Petersberg-Aufgaben würde ein solcher Einsatz alternativ zur Führung einer multinationalen Brigade erfolgen; für klassische Peacekeeping-Einsätze sollten erforderlichenfalls auch zusätzliche Kapazitäten verfügbar gehalten werden.

Im unteren Einsatzspektrum sollte die Verweildauer im Einsatzraum unbegrenzt und im oberen Spektrum über zumindest ein Jahr gewährleistet sein.

Zeitgleich zu den Brigade- bzw. Bataillonseinsätzen sollen kurzfristige und zeitlich begrenzte Einsätze zum Zwecke einer raschen Katastrophenhilfe, humanitären Hilfe, Evakuierungsoperationen sowie als Beitrag zu einer – im Rahmen von Friedensoperationen im Auftrag der Vereinten Nationen zum Einsatz kommenden – „Battle Group“ der EU vorerst zumindest in Kompaniestärke möglich sein.

Strukturelle Festlegungen zum verfassungsmäßig festgelegten Milizsystem (siehe Wehrrechtsänderungsgesetz 1988Bericht des Landesverteidigungsausschusses – WRÄG 1988 , Bericht des Rechtsausschusses des Bundesrats – WRÄG 1988) sollte ursprünglich die Bundesheerreformkommission treffen, man lagerte dieses heikle Thema aber später an eine Arbeitsgruppe („AG Miliz 2010“) aus:

6. Die Kommission wird prüfen, inwieweit sich verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Konsequenzen aus der veränderten Aufgabenstellung des Bundesheeres ergeben. Dabei wird im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung des Zeitaspekts im internationalen Krisenmanagement auch zu prüfen sein, inwieweit es notwendig ist, die zeitlichen Abläufe der nationalen Entscheidungsprozesse für die Entsendung von Truppen ins Ausland zu beschleunigen.

7. Die freiwillig einzugehende Verpflichtung des Milizsoldaten, an Auslandseinsätzen des Bundesheeres teilzunehmen, ist legistisch durch die Absicherung eines adäquaten Arbeitsplatzes zu regeln, sodass ein Contracting möglich wird.

Primärer Zweck des Grundwehrdienstes ist die Ausbildung für Einsatzaufgaben im Rahmen der Aufrechterhaltung der Souveränität sowie die Verfügbarkeit für Assistenzen. Zugleich soll der Grundwehrdienst auch eine Ausbildung vermitteln, die als Grundlage für die Rekrutierung von Kadernachwuchs im Präsenz- und Milizstand dient. Die Kommission wird prüfen, welche Dauer der Grundwehrdienst in Zukunft haben soll.

Darüber hinaus wurde die Basis für spätere Entscheidungen im Bereich der Bewaffnung gelegt:

9. Die Materialstruktur des Bundesheeres 2010 hat im Sinne der geforderten Zusammenarbeitsfähigkeit im multinationalen Rahmen dem internationalen Maßstab zu entsprechen. Dies bedingt gemäß der noch zu entscheidenden Zielstruktur sowohl eine Modernisierung vorhandener als auch die Beschaffung neuer Bewaffnung und Ausrüstung für alle Soldaten und Soldatinnen der Einsatzorganisation, vor allem auch zum persönlichen Schutz im Einsatz.

Alle laufenden und geplanten Investitionen wären auf ihre Notwendigkeit und Berechtigung im Zusammenhang mit der Umsetzung der Ergebnisse der Bundesheerreformkommission zu prüfen.

10. Die Infrastruktur des Bundesheeres sollte dem zu erwartenden Bedarf im Jahr 2010 angepasst werden. Dies erfordert eine rasche Überprüfung der bestehenden Standorte sowie in weiterer Folge die Verwertung nicht mehr benötigter Liegenschaften als auch die Modernisierung der verbleibenden. Die Kommission wird sich in genereller Form zu möglichen Einsparungspotentialen äußern.

11. Die Kommission wird darlegen, welcher Finanzmittelbedarf für die Erreichung der operationellen Fähigkeiten des Bundesheeres 2010 gegeben ist. Hierbei werden die Erfahrungen vergleichbarer europäischer Staaten in die Überlegungen einzubeziehen sein. Die erforderliche Planungs- und Investitionssicherheit für das Österreichische Bundesheer und die Wirtschaft soll dabei längerfristig sichergestellt werden.

Das Budgetvolumen und die Budgetstruktur wären durch Zielvorgaben den internationalen Standards schrittweise so anzupassen, dass die Anteile für Investitionen mindestens ein Drittel der Gesamtausgaben erreichen können. In diesem Zusammenhang soll der Grundsatz gelten, dass für jeden einzelnen Bereich alle Möglichkeiten interner Umschichtungen und Einsparungen berücksichtigt werden.

Darüber hinaus sind für die Transformation zum Bundesheer 2010 neben den internen Umschichtungen und Einsparungen zusätzliche finanzielle Anstrengungen, welche die rasche und erforderliche personelle Strukturierung und Modernisierung der Ausrüstung ermöglicht, erforderlich. Erlöse aus Veräußerungen nicht mehr benötigten Vermögens sowie sonstige Erlöse sollten dabei im Sinne einer Gegenfinanzierung dem Österreichischen Bundesheer zur Verfügung gestellt werden.

Vor allem im Investitions- und Betriebsbereich wären alternative Organisations- und Finanzierungsmodelle unter Einbindung der Wirtschaft zu entwickeln, die eine nachhaltige Kosteneffizienz sicherstellen.

12. Eine Einnahme der Zielstruktur bzw. eine Entwicklung in ihre Richtung sowie die Sicherstellung der Kontinuität erfordern die Schaffung stabiler Rahmenbedingungen im rechtlichen Bereich, beim Personalstandsziel und einem aufgabenadäquaten Budget.

In diesem Zusammenhang wird die Zweckmäßigkeit eines mittelfristigen Programm– bzw. Transformationsgesetzes zu prüfen sein, welches Ziele, Phasen und Zwischenschritte der strukturellen Umsetzung festzulegen hätte.

Dieses Positionspapier bildete die Grundlage für die Ambition der Bundesheerreform „ÖBH 2010“, die Formulierung des Endberichts der Bundesheerreformkommission und die Ausformung des Militärstrategischen Konzepts 2006. Insbesondere seine materiellen Vorgaben, auf denen die Struktur des Bundesheeres aufbaute, und die legistischen Erfordernisse führten aber auch mittelfristig zum Scheitern der Reform.

 

Die Verkürzung des Grundwehrdienstes – das WRÄG 2005

Den Startschuss für die langsame Erosion der erst im Entstehen begriffenen Heeresstruktur bildete eine Entscheidung des Bundesministers für Landesverteidigung. Am 20. Jänner 2004 übergab der Vorsitzende der Bundesheerreformkommission den Bericht 2003 (fertiggestellt am 31. Dezember 2003) an den Ressortleiter. Das Dokument wurde als „Zusammenstellung der gesamten Tätigkeiten der Kommission“ und „Standortbestimmung für das Österreichische Bundesheer“ charakterisiert.

Übergabe des Berichts 2003 an BM Platter durch den Kommissionsvorsitzenden

Abb. 8: Übergabe des Berichts 2003 an BM Platter durch den Kommissionsvorsitzenden (Foto: Bundesheer)

In diesem Bericht wurden die Positionspapiere zusammengefasst. Es wurde betont, dass die Aufgabenstruktur des ÖBH 2010 erst zu behandeln wäre und, dass hypothetische Gliederungsvarianten (Anzahl von Verbänden, differenziert nach Truppen- und Waffengattung; politische Optionen: Berufsheer oder Wehrpflicht) anhand einer Mindestaufgabenerfüllung (!) entwickelt worden sind. Dabei legte man die Entwicklung einer „weitgehenden Professionalisierung im Sinne von (teilweise) stehenden Einheiten und Verbänden“, eines „Ressourceneinsatzes auf die Aufgabenerfüllung aus dem Präsenzstand“ und die „kritische Hinterfragung von Mobilmachungsstrukturen (Rekonstruktion)“ zugrunde.

Bei der Präsentation des Berichts am folgenden Tag kündigte der Bundesminister ein Aussetzen der Truppenübungen an:

Generalstabschef Ertl und BM Platter während der Pressekonferenz am 21. Jänner 2004 (Foto: Bundesheer)

Abb. 9: Generalstabschef Ertl und BM Platter während der Pressekonferenz am 21. Jänner 2004 (Foto: Bundesheer)

„Aus meiner Sicht sind die Truppenübungen nicht mehr notwendig“, kündigte heute, Mittwoch, Verteidigungsminister Günther Platter bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Chef des Generalstabs, General Roland Ertl, ein Aussetzen der Truppenübungen an. „Aussetzen bedeutet aber nicht abschaffen“, so der Minister. Platter bezeichnete eine deutliche Reduktion der Gesamtstärke des Bundesheeres als „notwendig“. Außerdem solle künftig mit der Entscheidung, Berufssoldat zu werden, auch die Bereitschaft zu Auslandseinsätzen verbunden sein.

 

„Mein Ziel ist, die Reform konsequent umzusetzen“, sagte Platter. Weil die Einsatzbereitschaft der Soldaten nicht mehr wie bisher notwendig sei, könne eine Reduzierung der Gesamtstärke durchgeführt werden. Die Milizsoldaten werden aber auch weiterhin gebraucht. „Die Miliz ist unverzichtbar“, so der Verteidigungsminister. „Der Professionalisierungsschub muss sich aber auch in der Miliz wieder finden. Insbesondere was die Ausbildung und die Einbindung in die aktiven Verbände betrifft.“

Tatsächlich hat der Bericht 2003 der BHRK weder eine Aussetzung, noch eine Abschaffung der Truppenübungen vorgeschlagen oder gar empfohlen. Dennoch kamen aus den Reihen der Regierungsparteien, namentlich der Wehrsprecher von ÖVP  und FPÖ, noch am selben Tag und nur wenige Stunden nach der Pressekonferenz von Verteidigungsminister und Generalstabschef ausdrücklich Forderungen nach einer raschen Verkürzung der Präsenzdienstzeit (und damit Abschaffung des Milizsystems klassischer Prägung).

Die Politik handelte sofort: Am 27. Jänner 2004, nur sechs Tage nach Vorlage des Zwischenberichts, ordnete der Verteidigungsminister per Weisung die sofortige Aussetzung der Truppenübungen als „vorläufige Maßnahme“ bis Ende 2005 an. Der Wehrsprecher der ÖVP stellte in den Raum, dass der Verteidigungsminister damit keine Ergebnisse der BHRK vorweg nehmen, sondern lediglich „auf Feststellungen des Zwischenberichts“ reagieren würde. Die Junge ÖVP beharrte auf einer kompletten Abschaffung der verpflichtenden Übungen und auf der Vorstellung, dass „durch die ausschließliche Freiwilligenmeldung“ keine Kapazitätsprobleme enstehen würde, “ wenn ein aktives Anreiz- und Benefitsystem eingeführt werden würde“. Diese Forderung wurde im Laufe des Jahres bekräftigt.

Am 1. Februar 2005 langte im Parlament der Ministerialentwurf des BMLV für ein Wehrrechtsänderungsgesetz 2005 (WRÄG 2005) ein. Darin waren hauptsächlich Formalanpassungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) vorgesehen, aber keine Anpassung der Dauer des Präsenzdienstes. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts warf in seiner Stellungnahme zum WRÄG 2005 erste Fragen bezüglich der geplanten Neuerungen des Ausbildungsdienstes und ihrer Vereinbarkeit mit dem Milizsystem auf.

Während der Behandlung im Parlament folgten politische Vorstöße zur vorschnellen Verkürzung des Grundwehrdienstes  bzw. des Zivildienstes. Die SPÖ forderte am 14. März 2005 in zwei Entschließungsanträgen die Abschaffung der Zwei-Drittel-Mehrheit für Änderungen der Dauer des Zivildienstes und eine Verkürzung des Zivildienstes. Die Grünen brachten am am selben Tag mit folgender Begründung einen Entschließungsantrag zur Abschaffung der Truppenübungen ein:

Begründung:

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll eine gesetzliche Grundlage für die Abschaffung der Truppenübungen geschaffen werden. Damit sollen verfassungsrechtliche Unklarheiten beseitigt werden, die durch die Aussetzung der Truppenübungen allein durch Weisung des BM für Landesverteidigung aufgetreten sind. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken wurden von maßgeblichen Stimmen in der Wissenschaft, va. durch Prof. Funk, geäußert.

Die Anträge wurden formal dem Landesverteidigungsausschuss zugewiesen, aber nicht behandelt.

Die 8. Sitzung des Landesverteidigungsausschusses vom 24. Mai 2005 brachte das Ende der Truppenübungen und somit die Umstellung vom Miliz- auf ein de-facto Kaderrahmensystem. Der Bericht des Landesverteidigungsausschusses gibt Aufschluss über die Gründe für die verfrühte Verkürzung des Grundwehrdienstes:

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Walter Murauer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

[…]

Im Rahmen dieser Zielsetzungen nahm die Bundesheerreformkommission am 16. Oktober 2003 ihre Arbeiten auf. Die Übergabe des Endberichtes an den Bundesminister für Landesverteidigung erfolgte am 14. Juni 2004. Darin hat die Bundesheerreformkommission unter anderem folgende Maßnahmen empfohlen:

  • Die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate unter der Voraussetzung entsprechender Rahmenbedingungen, vor allem für die Rekrutierung und Ausbildung der erforderlichen Anzahl von befristeten Berufssoldatinnen und Berufssoldaten in den Mannschaftsdienstgraden (Punkt 3.2.4. des Endberichtes).
  • Im Falle einer Verkürzung des Grundwehrdienstes bzw. einer Änderung des Wehrsystems die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass für Wehrpflichtige und Frauen mit absolviertem Ausbildungsdienst die Möglichkeit einer rechtlich verbindlichen Freiwilligenmeldung für einen bestimmten Zeitraum vorgesehen wird, auf deren Grundlage die Verpflichtung zu Einsätzen und Übungen besteht (Punkt 3.2.3. des Endberichtes).
  • Alle Funktionen in der zukünftigen Miliz für Frauen zu öffnen (Punkt 3.2.3. des Endberichtes).
  • Einführung eines einheitlich anwendbaren Anerkennungssystems mit Geld- oder Sachleistungen (Punkt 3.5.1.1. des Endberichtes).
  • Setzung von Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Dienstleistungen im Bundesheer unter dem Aspekt der internationalen Vergleichbarkeit auch unter Berücksichtigung des individuellen Nutzens (Punkt 3.5.2.4. des Endberichtes).

Mit dem vorliegenden Antrag sollen nunmehr die gesetzlichen Grundlagen für die Umsetzung der genannten Empfehlungen geschaffen werden, wobei die ins Auge gefasste Reduzierung der Dauer des Grundwehrdienstes im Sinne der Empfehlung der Bundesheerreformkommission eine gleichzeitige ersatzlose Aufhebung der Truppenübungen impliziert, die zusammen mit dem Grundwehrdienst eine untrennbare Einheit bilden. Weiters sollen die seitens der Bundesheerreformkommission empfohlenen Freiwilligenmeldungen für militärische Übungen durch die Einführung von „Milizübungen“ anstelle der bisherigen Kaderübungen realisiert werden.

 

2. Zur Verkürzung des Grundwehrdienstes und Abschaffung der Truppenübungen (siehe Z 9b betreffend § 20):

Die auf der allgemeinen Wehrpflicht basierende Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes wurde in ihrer Ausprägung seit Bestehen der 2. Republik mehrfach geändert, wobei sich die wesentlichen Schritte wie folgt darstellen:

[…]

Die Heranziehung von Wehrpflichtigen zu Truppenübungen unmittelbar im Anschluss an den Grundwehrdienst hatte sich jedoch in der Praxis als unzweckmäßig, kostenintensiv und verwaltungsaufwendig erwiesen. Denn für diese Truppenübungen galten abweichend von den für den vorangegangenen Grundwehrdienst vorgesehenen Regelungen sämtliche für derartige Waffenübungen normierten Bestimmungen. So traten etwa in besoldungsmäßiger Hinsicht an die Stelle der im Grundwehrdienst geltenden Regelungen über Familienunterhalt und Wohnkostenbeihilfe die Bestimmungen des VI. Hauptstückes des damals geltenden Heeresgebührengesetzes 1992 (Entschädigung des Verdienstentganges und Fortzahlung der Dienstbezüge). Überdies hatten die Wehrpflichtigen während der in Rede stehenden Truppenübungen keine Vertretung durch einen Soldatenvertreter. Mit der im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, erfolgten Änderung des Wehrgesetzes 1990 wurde daher von dieser Regelung abgegangen und stattdessen mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1996 die Möglichkeit geschaffen, die Dauer des Grundwehrdienstes nach Vorliegen militärischer Interessen flexibel zwischen sechs und acht Monaten festzulegen. Die seit der Wehrrechtsnovelle 1971 normierte Gesamtdauer von Grundwehrdienst und Truppenübungen von acht Monaten wurde jedoch nicht verändert, weshalb der auf die Gesamtdauer von acht Monaten noch fehlende Zeitraum nach Entlassung aus dem Grundwehrdienst in Form von Truppenübungen zu leisten war.

Dieses flexible System von Grundwehrdienst und Truppenübungen ist bis dato materiell unverändert in Kraft.

Ausgangspunkt für die nunmehr ins Auge gefasste Änderung dieses Zusammenspiels von Grundwehrdienst und Truppenübungen ist die im Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode veranlasste umfassende Reform des Bundesheeres. Auszugsweise heißt es darin unter Z 3 Äußere Sicherheit und Landesverteidigung: „Die militärische Landesverteidigung muss auch in Österreich den Bedrohungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden.
Dazu setzt die Bundesregierung unter Federführung des BMLV eine Reformkommission ein, die auf Basis der Bundesverfassung und der geltenden Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin die Grundlage für diese Reform bis spätestens Ende 2003 erarbeiten soll.“ Auch in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 6. März 2003 heißt es zum Thema Grundwehrdienst: „Es muss möglich sein, den Präsenzdienst für jeden Grundwehrdiener attraktiv zu machen. Das Bundesheer ist ja auch ein Kompetenzzentrum für die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten: von der Technik bis zu Sport und Sprachen, vom Gesundheitscheck bis zur Auslandserfahrung, vom Logistik-Management bis zu speziellen Führungsqualifikationen.
Dieses Angebot kann den Präsenzdienst zu einer spannenden und zeitgemäßen Ausbildungszeit machen. Um diese Neuordnung der Aufgabe umzusetzen, wird eine Reformkommission für das österreichische Bundesheer eingerichtet. Sie muss sich mit den Fragen beschäftigen: Was muss ein modernes Heer können, wie groß muss es sein, welche neuen Anforderungen werden künftig in Europa gestellt, wo müssen wir abschlanken, wo muss investiert werden.“

In Entsprechung dieser Vorgaben hat die Bundesheerreformkommission am 16. Oktober 2003 ihre Arbeiten aufgenommen und am 14. Juni 2004 ihren Endbericht an den Bundesminister für Landesverteidigung übergeben. Als ein wesentlicher Punkt dieses Endberichtes empfiehlt die Bundesheerreformkommission in Punkt 3.2.4 (Grundwehrdienst), unter der Voraussetzung entsprechender Rahmenbedingungen, die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate vorzusehen.

Mit einer bloßen Reduzierung des Grundwehrdienstes wäre jedoch nach den Intentionen der Bundesheerreformkommission noch nicht das Auslangen gefunden, da in diesem Fall alle Wehrpflichtigen mit weniger als acht Monaten geleisteten Grundwehrdienst ex lege zu Truppenübungen in der auf acht Monate fehlende Zeit verpflichtet wären. Eine vollinhaltliche Umsetzung dieser Empfehlung unter Zugrundelegung der materiellen Absichten der Bundesheerreformkommission müsste neben dieser Maßnahme darüber hinaus auch die ersatzlose Aufhebung der derzeit verpflichtenden Truppenübungen, die zusammen mit dem Grundwehrdienst eine untrennbare Einheit bilden, umfassen. Mit dem vorliegenden Antrag soll daher die derzeit im § 20 Abs. 1 letzter und vorletzter Satz vorgesehenen Möglichkeiten der Heranziehung von Wehrpflichtigen zum Grundwehrdienst in der Dauer von mehr als sechs Monaten, höchstens jedoch in der Dauer von acht Monaten, ebenso ersatzlos entfallen wie die in § 20 Abs. 2 geregelte Heranziehbarkeit von Wehrpflichtigen zu Truppenübungen.

 

3. Zur Ablösung der bestehenden Kaderübungen durch Milizübungen (siehe Z 9c betreffend § 21):

[…]

Ausgangspunkt für die nunmehr ins Auge gefasste Änderung ist die im Endbericht der Bundesheerreformkommission unter Punkt 3.2.3. (Miliz) enthaltene Empfehlung, „im Falle einer Verkürzung des Grundwehrdienstes bzw. einer Änderung des Wehrsystems die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass für Wehrpflichtige und Frauen mit absolviertem Ausbildungsdienst die Möglichkeit einer rechtlich verbindlichen Freiwilligenmeldung für einen bestimmten Zeitraum vorgesehen wird, auf deren Grundlage die Verpflichtung zu Einsätzen und Übungen besteht“. Auf Grund der geplanten Abschaffung der Truppenübungen einerseits und dem derzeit stark beschränkten Zugang zu Kaderübungen (ausschließlich für Kommandanten- und Fachfunktionen) andererseits, erfordert eine Umsetzung dieser Empfehlung eine entsprechende gesetzliche Anpassung. Mit dem vorliegenden Antrag sollen daher durch eine Adaptierung des § 21 die bestehenden Kaderübungen für alle Wehrpflichtigen mit einer Verwendung in der Einsatzorganisation des Bundesheeres geöffnet werden. Da an diesen in Rede stehenden militärischen Übungen auch Wehrpflichtige ohne eine Kaderfunktion in der Einsatzorganisation teilnehmen sollen, sind die Bezeichnungen „Kaderübungen“ und „vorbereitende Kaderausbildung“ nicht mehr zutreffend und sollen jeweils durch die Bezeichnungen „Milizübungen“ bzw. „vorbereitende Milizausbildung“ ersetzt werden. Im Übrigen soll der Zugang zu diesen Milizübungen unter den gleichen Voraussetzungen wie bei Kaderübungen und daher auch weitgehend freiwillig erfolgen können. Um den bestehenden militärischen Ausbildungsstand auch weiterhin erhalten zu können, soll die Gesamtdauer der geplanten Milizübungen für Offiziere und Unteroffiziere der jeweiligen Summe aus Truppen- und Kaderübungstagen nach der geltenden Rechtslage entsprechen. Hinsichtlich der übrigen Milizsoldaten soll die Gesamtdauer der geplanten  Milizübungen 30 Tage betragen.

Das WRÄG wurde am 4. Juli 2005 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und trat damit am 5. Juli 2005 in Kraft (gemäß Art. 49, Abs. 1 B-VG).

Der Endbericht der Bundesheerreformkommission

Berichtsübergabe BHRK

Abb. 10: Feierliche Übergabe des Berichts der Bundesheerreformkommission im T-Center St. Marx (Foto: Bundesheer)

Als der endgültige Bericht der Bundesheerreformkommission  am 14. Juni 2004 übergeben wurde, war damit schon ein Teil der angepeilten Maßnahmen ohne Konsultation und ohne Berücksichtigung der Folgen vorgezogen worden. Die Kommission hatte unter dem Titel Modelle für das Österreichische Bundesheer 2010 drei unterschiedliche Wehrsystemmodelle behandelt:

  • Modell 1: ÖBH 2010 „Freiwilligensystem“
  • Modell 2: ÖBH 2010 „Wehrpflicht mit nachhaltiger Auslandsorientierung“
  • Modell 3: ÖBH 2010 „Wehrpflicht mit ausgewogener In- und Auslandsorientierung“

Diese Modelle verfügten über zumindest 10 Bataillonsäquivalente, d.h. zwei Brigaden und vier als Kaderpräsenzverbände (KPE) strukturierte Kampfbataillone, sowie eine in die Brigaden integrierte Ausbildungsorganisation, und sollten kurzfristig Entsendungen auch ohne Miliz ermöglichen. Die Luftstreitkräfte verfügten in allen Modellen über ein Kommando Luftraumüberwachung, ein Luftraumüberwachungsgeschwader, einen Fliegerabwehrverband, einen Transportverband (strategisch/operativer und taktischer Lufttransport), ein luftfahrttechnologisches Logistikzentrum, ortsfeste und mobile Flugplatzinfrastruktur und einen Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaissance (ISTAR)-Verband (Luftaufklärung). Aus dem Vergleich ging das Modell 3 (auch bei einer verkürzten Wehrpflicht) als leistungsfähigste Variante hervor, jedoch unter der Voraussetzung, dass der materielle und strukturelle Bedarf im Vergleich zu den anderen Modell höher veranschlagt wurde.

Der Miliz wurde nur untergeordnete Bedeutung zugeschrieben:

Wegen des Fehlens einer konventionellen Bedrohung und der reduzierten Bedeutung von eigenen Milizstrukturen zur Mobilmachung und Aufwuchsfähigkeit, erscheinen eigene Milizstrukturen im Rahmen der Einsatzorganisation verzichtbar. Die Bedeutung der Miliz wird daher in erster Linie in einer qualitativen Personalergänzung für die präsenten Einsatzverbände liegen. Infolge der Abhängigkeit des Handlungsspielraumes bei Einsätzen im Ausland und Inland von der planbaren Verfügbarkeit von Milizpersonal wird dem Aspekt der Freiwilligkeit in der Miliz, der durch legistische Absicherung hinsichtlich des Arbeitsplatzes und entsprechender Sozialmaßnahmen zu fördern sein wird, vorrangige Bedeutung zukommen.

Das Milizpersonal sollte vorwiegend im Sanitätsbereich im In- und Ausland (insbesondere bei Einsätzen zur internationalen Katastrophenhilfe) zum Einsatz kommen. Darüber hinaus floss die Überlegung der Anrechnung von Zeiten aus dem Auslandseinsatz in die Pensionszeit von Milizsoldaten in den Bericht ein.

Helmut Zilk schreibt im Vorwort:

Die Kommission ist in der Frage der Wehrpflicht zur grundsätzlichen Erkenntnis gelangt, dass derzeit ein Verzicht darauf nicht möglich ist. Hinsichtlich der Dauer des Wehrdienstes wäre, unter der Voraussetzung entsprechender Rahmenbedingungen, eine Verkürzung auf sechs Monate frühestens im Jahr 2007 vorzusehen.

Die Begründung für diese Empfehlung war folgende:

3.2.4. Grundwehrdienst

Eine allfällige Verkürzung des Grundwehrdienstes im Rahmen der bestehenden Heeresgliederung 92 STRAN (Strukturanpassung) hätte Auswirkungen auf die Präsenzfähigkeit und würde ein Anwachsen des Systemerhalteranteils nach sich ziehen.

 

Die Kommission empfiehlt,

  • unter der Voraussetzung entsprechender Rahmenbedingungen, vor allem für die Rekrutierung und Ausbildung der erforderlichen Anzahl von befristeten Berufssoldatinnen und Berufssoldaten in den Mannschaftsdienstgraden, die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate vorzusehen. In diesem Zusammenhang wird vorgeschlagen, zeitgleich auch die Dauer des Wehrersatzdienstes/Zivildienstes adäquat anzupassen. Die Bundesheerreformkommission geht davon aus, dass die Verkürzung des Wehrdienstes aus heutiger Sicht nach Wegfall des Assistenzeinsatzes an der Staatsgrenze, frühestens jedoch 2007 erfolgen kann, sofern bereits die erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf die Umsetzung der Heeresreform wirken. In diesem Fall wird bei der Umsetzung dem Grundsatz der Wehrgerechtigkeit besonderes Augenmerk zu schenken sein;

Die Entscheidungsträger in Nationalrat und Bundesregierung ignorierten die definierten Rahmenbedingungen. Neben der Wehrdienstverkürzung durch Ministerweisung und Entschließungsantrag ließ man auch den Assistenzeinsatz zur Grenzraumüberwachung (AssE GRÜ) bis zum 20. Jänner 2007 und danach als Assistenzeinsatz nach Schengenerweiterung (AssE SchE) vom 22. Dezember 2007 bis 16. Dezember 2011 weiterlaufen. Dieser band sechs bis acht Wochen der vorgesehenen Ausbildungszeit im sechsmonatigen Grundwehrdienst (23 – 30 % der Gesamtdienstdauer) und damit 60 – 80 % der BA3:

Abb. 11: Normausbildungsablauf des Grundwehrdienstes vor dem WRÄG 2005 (BAUER Gebhard / Gerhard DSUBANKO: Soldat '96, Wien 1995)

Abb. 11: Normausbildungsablauf des Grundwehrdienstes vor dem WRÄG 2005 (BAUER Gebhard / Gerhard DSUBANKO: Soldat ’96, Wien 1995)

 

Normausbildungsablauf Grundwehrdienst

Abb. 12: Normausbildungsablauf des Grundwehrdienstes ab 2005

Die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Ausbildung und das rapide Ansteigen des Systemerhalteranteils führten in den folgenden neun Jahren zu wiederkehrenden Debatten über die Sinnhaftigkeit des Grundwehrdienstes und Forderungen nach einer Berufsarmee.

Weitere Empfehlungen des Endberichts betrafen eine Neudefinition der Aufgaben des Bundesheeres. So sollte die „solidarische Beteiligung an Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Beteiligung an anderen internationalen Maßnahmen der Friedenssicherung, der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe sowie der Such- und Rettungsdienste […] als neue Aufgabe des Bundesheeres im Rahmen der umfassenden Sicherheitsvorsorge ausdrücklich in der Bundesverfassung“ verankert werden. Die Kommission schlug eine Überarbeitung des Entwurfs der Teilstrategie Verteidigungspolitik unter Berücksichtigung der Empfehlungen der BHRK vor und empfahl, diesen „ehebaldigst dem Ministerrat zur Beschlussfassung zuzuleiten“. Es blieb beim Entwurf – der Ministerrat befasste sich bis zum Frühjahr 2011 nie mehr mit Grundlagendokumenten zur Verteidigungspolitik.

In der Bedrohungs- und Risikoanalyse der Bundesheerreformkommission wurden mehrere Empfehlungen gegeben, die später auch in das Militärstrategische Konzept einflossen:

Die Kommission empfiehlt,

  • als wesentliche Faktoren für die Strukturierung [Dies umfasst vor allem Organisation, Ausrüstung und Ausstattung.] der österreichischen Streitkräfte 2010 jene Gefährdungen als Maßstab heranzuziehen, denen Kontingente, die an friedensunterstützenden Einsätzen im Ausland teilnehmen, auf Grund ihrer Aufgaben ausgesetzt sind. Dies umfasst unter anderem die entsprechende technologische Ausstattung sowie die Erreichung eines höchstmöglichen Schutzgrades der Truppe (Force Protection [Force Protection umfasst alle Maßnahmen eines Individual- und Kollektivschutzes der eingesetzten Kräfte im Sinne eines höchstmöglichen Schutzes der eigenen Kräfte (z.B. Maßnahmen des Minen- und Splitterschutzes, nachrichtendienstliche Aufklärung und Abwehr, CIMIC, ARBC-Abwehr, etc.).]);
  • ausreichende Kräfte bereitzuhalten, die gleichzeitig zu den im Auslandseinsatz befindlichen Kontingenten, für Assistenzleistungen im Falle einer Naturkatastrophe, einer von Menschen verursachten Katastrophe oder eines Terroranschlages sowie für sicherheitspolizeiliche Assistenzen im Inland eingesetzt werden können;
  • die Verbesserung der Fähigkeiten der Kräfte des Bundesheeres, seine Angehörigen und seine Einrichtungen bestmöglich zu schützen und Auswirkungen des Einsatzes von ARBC-Waffen, -Mitteln und -Substanzen zu reduzieren;
  • dem Bundesheer im Rahmen des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes, aber auch im Rahmen des staatlichen Krisenmanagements, eine wichtige Rolle beim Schutz der vitalen, zivilen Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Infrastruktur bzw. zur Bereithaltung redundanter Systeme für den Katastrophen- oder Bedrohungsfall zuzuordnen. Die für die militärische Führung erforderliche vitale IKT-Infrastruktur sollte ausschließlich durch militärische Kräfte betrieben werden;
  • eine Verbesserung der nachrichtendienstlichen Kapazitäten zur Erstellung des strategischen Lagebildes im Rahmen der Krisenfrüherkennung einschließlich der neuen subkonventionellen Bedrohungsfaktoren als Beitrag zur politischen Entscheidungsaufbereitung bzw. zur Unterstützung von österreichischen Kontingenten im Auslandseinsatz durch sofort verfügbare Aufklärungselemente;
  • die Weiterentwicklung der nachrichtendienstlichen Kooperation im nationalen wie auch im multinationalen Kontext einschließlich der entsprechenden parlamentarischen Kontrollmechanismen;
  • die weitere Verstärkung der systematischen Zusammenarbeit aller sicherheitsrelevanten staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen unter Bereithaltung der für das jeweilige Aufgabenspektrum spezifischen Ressourcen in den einzelnen Ressorts;

Die Streitkräfteentwicklung bildete ebenfalls eine wesentliche Basis für das neue Konzept:

Die Kommission empfiehlt,

  • die Schaffung moderner, zur multinationalen Zusammenarbeit befähigter Strukturen mit hoher Fähigkeit zur Aufgabenerfüllung und Flexibilität. Diese sollen auf die Vorgaben der EU (z.B. Framework Nation Concept) und die Qualitätskriterien der Partnerschaft für den Frieden mit kurzfristiger Verlegungs- und Einsatzfähigkeit, hoher Professionalisierung und Abstützung auf die Miliz abgestimmt sein;
  • die Aufstellung von auf den Einsatz verbundener Kräfte ausgerichteten, durchsetzungsfähigen Streitkräften. Das bedeutet im internationalen Maßstab eine Gliederung in Brigaden als zentrale Aufgabenträger. Diese haben über eine moderne Ausrüstung, insbesondere im Bereich der Führung und Führungsunterstützung, der Aufklärung, der Logistik, der Beweglichkeit und des Schutzes zu verfügen;
  • im Hinblick auf das Erfordernis der Erfüllung der In- und Auslandsaufgaben und die erforderliche Handlungsfähigkeit bei überraschenden Lageentwicklungen die kaderpräsenten Kräfte in Brigade- und Bataillonsstrukturen zusammen zu fassen. Für Zwecke der Auslandsaufgaben im gesamten Petersberg-Spektrum (insbesondere auch in Bezug auf die Aufgabenstellung der Framework Brigade [Dies bedeutet die Stellung der Kernfunktionen des Brigadestabes sowie zumindest zwei Bataillone der Kampftruppen und den wesentlichen Teil der Unterstützungskräfte sowie die Wahrnehmung der logistischen Sicherstellung für die eigenen Kräfte.]) sind nach Auffassung der Kommission jedenfalls vier Kaderpräsenzbataillone erforderlich;
  • die Ausrichtung der Strukturen auf die Erfüllung der In- und Auslandsaufgaben so, dass die Sicherstellung der Inlands- und Auslandsaufgaben aus einer weitgehend einheitlich strukturierten Einsatzorganisation/Truppe [Die Einsatzorganisation/Truppe (einschließlich der Ebene des Brigadekommandos) ist die für Einsatzaufgaben festgelegte Truppengliederung.], deren Leistungsparameter sich an den anspruchsvolleren Aufgaben im Auslandseinsatz orientieren, erfolgen kann. Hiezu wären die Verbände aus Kaderpräsenz- und/oder Kaderrahmen- bzw. Rahmeneinheiten [Die erwähnten Verbände unterscheiden sich hinsichtlich ihres Befüllungsgrades des notwendigen Personalrahmens an befristeten und unbefristeten Berufssoldaten und Berufssoldatinnen: Kaderpräsenzeinheiten 100%, Kaderrahmeneinheiten 75%, Rahmeneinheiten 50%.] mit grundsätzlich identischer Organisation im jeweils erforderlichen Ausmaß zu bilden;
  • im Rahmen der Einsatzorganisation/Truppe die Gewährleistung von präsenten Kräften für Inlandsaufgaben in einem Umfang von zumindest 10.000 Personen. Allenfalls, etwa bei Assistenzen, sind diese Kräfte unter Anwendung des Aufschubpräsenzdienstes bis hin zu einer Einberufung insbesondere von Milizkräften zum Einsatzpräsenzdienst zu ergänzen;
  • die Wahrnehmung der permanenten Luftraumüberwachung als Aufgabe im Rahmen des Schutzes der Souveränität sowie die Erbringung eines Beitrages zum Schutz staatlicher Infrastruktur, von Spezialaufgaben, wie z.B. im Rahmen von Spezialeinsätzen, der ARBC-Abwehr, der sanitätsdienstlichen Versorgung und von Transportaufgaben durch strukturierte Kräfte;
  • die Bereithaltung kurzfristig verfügbarer Kapazitäten (Readiness-Kategorie 30 Tage) zur Führung einer multinationalen Framework-Brigade mit hoher Leistungs- und umfassender Aufgabenfähigkeit, einschließlich entsprechender Einsatzunterstützung. Eine Verweildauer im Einsatzraum von zumindest einem Jahr soll dabei gewährleistet sein. Der Einsatz soll in einem drei- bis vierjährigen Rhythmus wiederholbar sein;
  • den zeitlich unbegrenzten Einsatz von bis zu zwei Bataillonen, auch in getrennten Einsatzräumen, jeweils aus weitgehend strukturierten Kräften alternativ zur Führung einer multinationalen Brigade;
  • eine flexible Ausweitung auf eine zusätzliche Bataillonsaufgabe im Rahmen eines klassischen, multinational strukturierten Peacekeeping-Einsatzes unter verstärkter Abstützung auf Milizteile möglich zu machen;
  • die Entwicklung von Fähigkeiten und Kapazitäten für rasche und zeitlich befristete Einsätze (maximal 3 Monate) von Spezialeinsatzkräften, Spezialkräften (ARBC – Abwehr bzw. Urban Search and Rescue – Elemente) oder anderen Einsatzkräften vorerst zumindest in Kompaniestärke, einschließlich des Transportraumes. Die Kapazitäten wären im Gesamtrahmen der vorstehenden Fähigkeiten zu strukturieren. Die hohe zeitliche Verfügbarkeit (Readiness-Kategorie 5 Tage) ist anlassbezogen oder im Rahmen eines multinationalen Bereitschaftssystems sicher zu stellen. Ein Einsatz dieser Kräfte erfolgt gegebenenfalls auch zu Lasten der oben angeführten Brigade- bzw. Bataillonsaufgabe;
  • die Grundorganisation [Unter Grundorganisation wird die oberste (militärstrategische) Führung, die obere (operative) Führung, die zentrale Logistik einschließlich der Militärspitäler, die Akademien und Schulen, die Ämter zur Unterstützung sowohl im strategischen wie operativen Bereich, die Militärkommanden (mit der territorialen Verwaltung einschließlich der dezentralen Ergänzungs- und Stellungseinrichtungen, die Militärmusiken, die Übungsplatzorganisation etc.) sowie Einrichtungen wie das Heeresgeschichtliche Museum, das Heeressportzentrum, die Auslandsdienste, etc. verstanden (Arbeitsbegriff).] (Führung, Planung, Beschaffung, Verwaltung, Ausbildung sowie Logistik) und die dazugehörenden Strukturen konsequent auf die neuen Aufgaben auszurichten und unter Bedachtnahme auf die Priorität der Einsatzorganisation sowie ein Höchstmaß an Wirtschaftlichkeit (z.B. Umschichtung von Personal, Verlagerung von Aufgaben, etc.) zu straffen;
  • die Aufgaben, die nicht dem Erhalt der Fähigkeit zur Führung und Durchführung von Einsätzen der Streitkräfte dienen, sowie zur Vorbereitung der Einsätze beitragen (Kernkompetenz) auszulagern, sofern Bedarf und Erfordernisse sowie die militärische Sicherheit nicht dem entgegenstehen;
  • Strukturen und Personal unter Bedachtnahme auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen dann auszugliedern, wenn Wirtschaftlichkeitsberechnungen eine Verbesserung der Kosteneffizienz und der Kosteneffektivität zumindest in einer mittelfristigen Perspektive erwarten lassen. In- und ausländische Erfahrungen wären dabei zu berücksichtigen;
  • die Gliederung des Bundesheeres 2010 so zu gestalten, dass spätere Entwicklungen, etwa auch die Aussetzung der Wehrpflicht und die Umstellung auf ein Freiwilligenheer, möglich sind.

Aufbauend auf diesen Zielen fasste der Nationale Sicherheitsrat am 1. Dezember 2004 einen Beschluss über eine Empfehlung an die Bundesregierung zur österreichischen Beteiligung an den Einsatzkräften der Europäischen Union.

Das weitere Schicksal der Reform wird im Artikel Das Scheitern von ÖBH 2010 – die Finanzsituation des Bundesheeres zwischen 2004 und 2015  genauer erläutert. Der vorliegende Text befasst sich ausschließlich mit den militärstrategischen Grundlagen.

Das Militärstrategische Konzept 2006

Der Entwicklung des Militärstrategischen Konzepts ging eine grundsätzliche Neudefinierung des Konzeptsystems des Österreichischen Bundesheeres voraus.

Erstmalig wurden die konzeptiven Grundlagen für die Weiterentwicklung des ÖBH in Form von „Konzepten“ nach dem verfügten „Einsatzkonzept 1993“ aufbereitet. Diese Konzepte wurden vor dem Hintergrund einer eigenständigen nationalen Landesverteidigung v.a. für geforderte Fähigkeiten erstellt und lösten die bis dato gültige Systematik von Aufgabenkatalogen und Strukturplänen für die jeweilige Waffengattung oder Teile derselben ab.

HABERMAYER Helmut: Das neue Konzeptsystem des Österreichischen Bundesheeres. In: ÖMZ 88. Jg. (2008) H2, p. 141; http://www.bundesheer.at/pdf_pool/omz/oemz2008_02.pdf [Abruf: 03. 11. 2015]

Die Erneuerung des Konzeptwesens wurde kurz nach Publikation des Endberichts der BHRK von der Abteilung Militärstrategie des BMLV als notwendige Sofortmaßnahme hervorgehoben. Zunächst verfügte sie Anfang Februar 2005 die Teilstrategie Verteidigungspolitik. Diese diente als Grundlage zur Abfassung des Militärstrategischen Konzepts.

Konzepte im Sinne des Österreichischen Bundesheeres dienen als Leitlinie zur grundsätzlichen Gestaltung des gesamten ÖBH, seiner Teilsysteme als auch verbands- und waffengattungsübergreifender Querschnittsmaterien (Vgl.: HABERMAYER Konzeptsystem, 2008, 144). Die Konzepte unterscheiden sich dabei zuallererst durch ihre hierarchische Einordnung:

  1. Internationale Konzepte (EU, NATO, etc.)
  2. Konzepte der strategischen Ebene (Erstellt von der Staatsführung, unter Mitwirkung des BMLVS.)
  3. Militärstrategisches Konzept (Übergreifende Darstellung von Zweck und Aufgaben, Ambition, Verfahren, Grobstruktur und Umfang des ÖBH mit mittelfristigen Zeithorizont.)
  4. Konzepte der operativen Ebene (Abgeleitet vom MSK und seinen Anlagen; Beschreibung der Aufgabenstellungen für die im MSK angeführten Aufgabenträger des Bundesheeres)
  5. Operative Konzepte (Darstellung von möglichen Aufgaben oder Verfahren im Rahmen der Ambition des MSK. Sie werden unterteilt in Verfahrenskonzepte, Fachkonzepte und Querschnittkonzepte.)

Das Militärstrategische Konzept wurde im Februar 2006 verfügt. Es gliedert sich in sieben größere Kapitel und einen Anhang:

  • Vorwort
  • Die Entwicklung der strategischen Lage
  • Die Entwicklung des Bedrohungs- und Risikobildes für ÖSTERREICH
  • Ableitungen für die Entwicklung des ÖBH
  • Militärstrategische Grundlagen
  • Grundsätze für das Leitbild des ÖBH
  • Vision des ÖBH
  • Anhang

Die Ambition orientierte sich grundsätzlich an den Vorgaben der Bundesheerreformkommission. Das Hauptziel stellten Szenarien des internationalen Krisenmanagements dar:

  • Sicherstellung kurzfristig verfügbarer Kapazitäten (Readiness-Kategorie 30 Tage) zur Führung einer multinationalen Framework-Brigade mit hoher Leistungs- und umfassender Aufgabenfähigkeit, einschließlich entsprechender Unterstützung. Eine Verweildauer im Einsatzraum von zumindest einem Jahr soll dabei gewährleistet sein. Der Einsatz soll in einem drei- bis vierjährigen Rhythmus wiederholbar sein. Teile dieser Kräfte können alternativ auch in einer Battle Group zum Einsatz kommen.
  • Sicherstellung eines zeitlich unbegrenzten Einsatzes von bis zu zwei Bataillonen, auch in getrennten Einsatzräumen, jeweils aus weitgehend strukturierten Kräften alternativ zur Führung einer multinationalen Brigade, wobei die Fortführung eines Bataillonseinsatzes (Einsatz niederer Intensität) zeitgleich mit dem Einsatz der multinationalen Framework-Brigade in einem getrennten Einsatzraum als Maximalvariante sicherzustellen ist.
  • Flexible Ausweitung auch zeitgleich mit dem Einsatz der multinationalen Framework-Brigade auf eine zusätzliche (nicht strukturbegründende) Bataillonsaufgabe im Rahmen eines klassischen, multinational strukturierten Peacekeeping-Einsatzes unter verstärkter Abstützung auf Milizteile.
  • Entwicklung von Fähigkeiten und Kapazitäten für rasche und zeitlich befristete Einsätze (maximal drei Monate) von Spezialeinsatzkräften (Jagdkommando), Spezialkräften (ABC-Abwehr bzw. Urban Search and Rescue – Elemente) oder anderen Einsatzkräften vorerst zumindest in Kompaniestärke, einschließlich des Transportes auch zeitgleich mit dem Einsatz der multinationalen Framework-Brigade. Diese Kapazitäten – einschließlich anlassbezogener Reserven – wären in Abhängigkeit zu den Entwicklungen des Battle Groups Concept der EU im Gesamtrahmen der vorstehenden Fähigkeiten zu strukturieren. Die hohe zeitliche Verfügbarkeit (Readiness-Kategorie 5 Tage) ist anlassbezogen oder im Rahmen eines multinationalen Bereitschaftssystems sicherzustellen. Ein Einsatz dieser Kräfte erfolgt gegebenenfalls auch zu Lasten der Brigade- bzw. Bataillonsaufgabe.
  • Bereithaltung einer nationalen Reserve zur Unterstützung laufender Operationen.

Militärstrategisches Konzept (Wien, Februar 2006), p. 32

Sicherungseinsätze und die Abwehr eines militärischen Angriffs seien „als grundlegende Zielsetzungen aufrecht, jedoch derzeit aufgrund der konkreten sicherheitspolitischen und militärstrategischen Lage ausschließlich im europäischen Kontext vorstellbar und demnach auch unter Berücksichtigung der Ressourcenentwicklung nicht bestimmend für den Kräfteumfang und die Struktur des ÖBH“. Stattdessen wurde national das Ziel „Souveränitätsschutz“ („Gewährleistung der staatlichen Souveränität am Boden und in der Luft“, Schutz der strategischen Infrastruktur, Hilfe bei Naturkatastrophen, Hilfe bei terroristischen Anschlägen) definiert. Dementsprechend gestalteten sich die von der Truppe anzuwendenden Verfahren:

Abb. 7: Verfahren im ÖBH 2010

Abb. 14: Verfahren im ÖBH 2010 (Grafik: Bundesheer)